Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. ärztliche Krankenhauseinweisung. keine Voraussetzung für stationäre Behandlungsbedürftigkeit sowie für Abrechenbarkeit stationärer Vergütungsansprüche
Orientierungssatz
Die ärztliche Krankenhauseinweisung ist weder Voraussetzung für die stationäre Behandlungsbedürftigkeit noch für die Abrechenbarkeit stationärer Vergütungsansprüche.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 4. Dezember 2014 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.596,24 Euro nebst 2 % Zinsen ab dem 4. April 2012 für die teilstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten I. im Zeitraum vom 16. August bis zum 6. Oktober 2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.596,24 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine teilstationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 5.596,24 Euro.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes psychiatrisches und psychosomatisches Krankenhaus mit einem Zentrum für Suchtmedizin und einer Tagesklinik. Der bei der Beklagten versicherte I. (im Folgenden: Versicherter), geb. 1984, befand sich dort im Zeitraum vom 16. August 2011 bis zum 6. Oktober 2011 in teilstationärer Behandlung. Der Versicherte kam am 16. August 2011 zur Aufnahme in die Tagesklinik, nachdem er sich im Zeitraum vom 25. Juli 2011 bis 15. August 2011 erstmalig zur stationären Entzugsbehandlung im Klinikum J. befunden hatte. Ausweislich des Entlassungsbriefs des klägerischen Krankenhauses vom 6. Oktober 2011 lagen bei dem Versicherten u.a. folgende Diagnosen vor: Alkoholabhängigkeit (ICD-10 F10.2), mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1), soziale Phobie (ICD-10 F40.1), posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), schädlicher Missbrauch von Kokain (ICD-10 F14.1) und schädlicher Missbrauch von THC (ICD-10 F12.1).
Dem Entlassungsbrief lässt sich des Weiteren entnehmen, dass der Versicherte aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit und einer depressiven Episode in die teilstationäre Behandlung übernommen und in das Behandlungsprogramm der Tagesklinik integriert worden sei. Er habe an der suchtspezifischen Akupunktur sowie an entspannungs- und körpertherapeutischen Verfahren teilgenommen, habe die Ergotherapie genutzt und stützende Einzelgespräche erhalten. Psychopathologisch hätten Stimmungsschwankungen, Ängste, innere Unruhe und Antriebsminderung im Vordergrund gestanden. Die weitere Diagnostik und Exploration habe zusätzlich die Diagnose einer sozialen Phobie ergeben. Medikamentös sei eine antidepressive Einstellung mit dem Arzneimittel Citalopram erfolgt. Zusätzlich sei bei Spannungszuständen bedarfsgesteuert das Arzneimittel Promethazin verabreicht worden. Außerdem sei vorübergehend als medikamentöse Rückfallprophylaxe Naltrexon angeordnet worden. Bei anhaltenden Schlafstörungen sei die antidepressive Medikation um das Arzneimittel Mirtazapin ergänzt worden. Im weiteren Verlauf hätten sich Stimmung und Antrieb langsam gebessert. Der Versicherte sei am 6. Oktober 2011 in einem stabilisierten Zustand in die ambulante Behandlung entlassen worden.
Die Beklagte sagte der Klägerin nach Meldung der stationären Aufnahme die Übernahme von Kosten zunächst bis zum 26. August 2011 unter dem Vorbehalt der medizinischen Prüfung zu. Auf einen Kostenübernahme-Verlängerungsantrag der Klägerin vom 26. August 2011 lehnte die Beklagte mit Verweis auf die medizinische Prüfung des Falles eine weitere Kostenübernahme ab.
Für die stationäre Behandlung des Versicherten entstanden der Klägerin Kosten im Umfang von insgesamt 5.596,24 Euro, die sie gegenüber der Beklagten mit Teilrechnung vom 1. September 2011 (1.827,54 Euro), 15. September 2011 (1.304,55 Euro), 6. Oktober 2011 (1.884,35 Euro) und 13. Oktober 2011 (579,80 Euro) einforderte.
Nachdem die Klägerin unter dem 23. November 2011 die Behandlungsunterlagen des Versicherten an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) übermittelte, erstellte dieser unter dem 29. November 2011 eine sozialmedizinische Stellungnahme über die Notwendigkeit und/oder Dauer der Krankenhausbehandlung. Gemäß der vorliegenden Berichterstattung sei vor der Übernahme zur tagesklinischen Behandlung die körperliche Entgiftung abgeschlossen worden. Nach den testpsychologischen Ergebnissen habe nur eine leichte Depression vorgelegen. Die antidepressive Medikation habe durchaus einer Behandlung entsprochen, welche typisch im Rahmen einer ambulanten Behandlung oder während einer Rehabilitation durchgeführt werden könnte. Mit Entlassung sei eine Entwöhnungsbehandlung bewilligt worden. Der Versicherte sei mit der zugeordneten Einrichtung nicht einverstanden gewesen und habe dagegen Widerspruch eingelegt. Er sei in eine Obdachlosenunterkunft gezogen. Warum im vorliegenden Fall nach vollstationärer Entgiftung keine E...