Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Vertretungsbefugnis eines Steuerberaters im Verwaltungsverfahren zur Feststellung des Grads der Behinderung. Rechtsdienstleistung. Nebenleistung
Leitsatz (amtlich)
Steuerberater sind nicht befugt, im Verwaltungsverfahren einen behinderten Menschen beim Streit um einen höheren GdB zu vertreten.
Orientierungssatz
Bei der Prüfung der juristischen Qualifikation iSd § 5 Abs 1 S 2 RDG ist nicht entscheidend, über welche juristischen Kenntnisse der Leistende tatsächlich verfügt, sondern es ist ausschließlich auf die Qualifikation abzustellen, die objektiv (für die nichtrechtsdienstleistende) Haupttätigkeit allgemein erforderlich ist.
Normenkette
RDG § 5 Abs. 1 S. 2, §§ 3, 2 Abs. 1; SGB X § 13 Abs. 5
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. April 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Zurückweisung als Bevollmächtigter in einem Verwaltungsverfahren zur Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).
Der Kläger ist selbständiger Steuerberater. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 zeigte er beim Beklagten an, dass er den 1973 geborenen I. J. vertrete und für diesen die Feststellung des GdB beantrage. Nachdem der Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, dass er beabsichtige, ihn als Bevollmächtigten zurückzuweisen, legte der Kläger seine beruflichen Erfahrungen im Schwerbehindertenrecht dar und machte geltend, dass es sich bei dem Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Hinblick auf Steuer- und Kindergeldangelegenheiten um eine für Steuerberater zulässige Nebenleistung i.S.d. § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) handele.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2009 wies der Beklagte den Kläger als Bevollmächtigten des Herrn J. zurück und führte zur Begründung aus, dass der Kläger nicht berechtigt sei, geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen. Der Kläger überschreite bei einer Vertretung in Schwerbehindertenangelegenheiten den Kreis der in § 33 Steuerberatungsgesetz (StBerG) genannten Befugnisse. Das Feststellungsverfahren nach dem SGB IX stelle sich auch nicht lediglich als erlaubnisfreie Nebenleistung i.S.d. § 5 Abs 1 RDG dar.
Hiergegen machte der Kläger im Widerspruchsverfahren geltend, dass seine Tätigkeit als Bevollmächtigter nach § 2 Abs 1 RDG erlaubnisfrei sei. Für einen Steuerberater seien bei einer Vertretung in Schwerbehindertenangelegenheiten keine vertieften oder besonderen rechtlichen Prüfungen erforderlich. Unabhängig davon ergebe sich die Befugnis zur Vertretung auch aus § 5 Abs 1 RDG. Diese Norm sei - möglicherweise anders als die Vorgängernorm in § 5 Rechtsberatungsgesetz (RBerG) - weit bzw. extensiv auszulegen. Es sei Regelungsziel des Gesetzgebers gewesen, naheliegende Nebentätigkeiten z.B. in Steuerangelegenheiten durch die dort bereits tätigen Fachleute mit erledigen zu lassen. Die vom Bundessozialgericht (BSG) zum RBerG ergangene restriktive Rechtsprechung sei durch die Gesetzesnovellierung überholt. Eine Vertretung in Steuer- und Kindergeldangelegenheiten des im vorliegenden Fall bereits voll-jährigen, jedoch schwerbehinderten und unter Betreuung stehenden Herrn J. sei lediglich bei gleichzeitiger Wahrnehmung auch der naheliegenden sozialrechtlichen Antragsverfahren sinnvoll.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass das Verfahren zur Feststellung des GdB weder seinem Inhalt noch seinem Umfang nach lediglich eine Nebenleistung der steuerberatenden Tätigkeit darstelle. Etwaige steuerrechtliche Aspekte seien bei diesem eigenständigen sozialrechtlichen Verfahren nur von untergeordneter Bedeutung. Selbst wenn das Ergebnis des Feststellungsverfahrens Auswirkungen auf steuerrechtliche Fragen habe, ermächtige dies einen Steuerberater nicht zu einer Vertretung im Verwaltungsverfahren nach dem SGB IX (Widerspruchsbescheid vom 21. August 2009).
Hiergegen hat der Kläger am 17. September 2009 beim Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben und seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 7. April 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage zwar zulässig, in der Sache jedoch unbegründet sei. Der Beklagte habe den Kläger rechtsfehlerfrei als Bevollmächtigten zurückgewiesen, da dieser nicht über die für eine Rechtsvertretung vorgeschriebene Erlaubnis verfüge. Die Vertretung im Antragsverfahren sei auch keine erlaubnisfreie Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs 1 RDG. Diese Norm differenziere entgegen dem Vorbringen des Klägers nämlich nicht nach dem Grad der Schwierigkeit der vorzunehmenden Rechtsprüfung. Dementsprechend unterfalle ein Tätigwerden im Schwerbehindertenrecht generell dem Erlaubnisvorbehalt in § 3 RDG. Bei der Vertre...