Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsstreit: Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Unfallversicherungsträger gem § 105 Abs 1 SGB 10 wegen Behandlungskosten. gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Abholen des Kindes vom Kindergarten. Rückweg zum Homeoffice. keine analoge Anwendung des § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7 mangels planwidriger Rechtslücke
Leitsatz (amtlich)
Eine gesetzliche Krankenkasse kann vom Träger der Unfallversicherung nicht die Erstattung der Behandlungskosten verlangen, die ihr durch den Sturz ihrer Versicherten auf dem Rückweg vom Kindergarten, in den sie ihr Kind gebracht hat, zurück zum Homeoffice entstanden sind.
Der Rückweg vom Kindergarten zum Homeoffice ist nach der derzeit geltenden Rechtslage keine nach § 8 Abs 2 Nr 1, § 8 Abs Nr 2 Buchst a oder § 8 Abs 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) versicherte Tätigkeit.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 19.124,22 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten in Höhe von 19.124,22 € für die Behandlung der Beigeladenen.
Die am 14. November 1969 geborene Beigeladene ist bei der Klägerin gesetzlich kranken- und bei der Beklagten unfallversichert. Sie ist die Mutter der am J. 2008 geborenen Tochter K.. Die Beigeladene ist bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) L., M., beschäftigt, sie arbeitete am Unfalltag von zu Hause aus (Teleworking).
Am 27. November 2013 erlitt die Beigeladene gegen 9.30 Uhr einen Unfall, als sie aufgrund von Eisglätte (Blitzeis) mit dem Fahrrad auf der Fahrbahn des N. in O. wegrutschte und sich hierbei ein Verrenkungsbruch des rechten Ellenbogengelenks zuzog. Sie hatte die Wohnung gegen 9.20 Uhr verlassen und ihre Tochter mit dem Fahrrad zum Kindergarten P., Q., R., gebracht und befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Rückweg von da nach Hause, um dort im Rahmen des Teleworkings für die DRV S. zu arbeiten. Die Beigeladene wurde mit dem Rettungswagen in das Klinikum O. gebracht und dort vom 27. November bis 14. Dezember 2013 wegen der Diagnosen Luxation des Ellenbogens, Fraktur des prox. Radius stationär behandelt. Vom 19. bis 26. Februar 2014 erfolgten weitere stationäre Aufenthalte. Sie war bis 20. Juni 2014 arbeitsunfähig erkrankt. Für die Behandlung der Beigeladenen entstanden Krankenbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 19.124,22 € (siehe Aufstellung der Klägerin vom 19. September 2014).
Die Klägerin meldete gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 19. September 2014 ihren Erstattungsanspruch an. Mit Schreiben vom 24. November 2014 lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht ab, da ein Versicherungsfall nicht vorgelegen habe.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Januar 2015 lehnte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Bei dem Unfall vom 27. November 2013 habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes gehandelt. Der Unfall habe sich nicht bei der eigentlichen Tätigkeit ereignet. Es habe sich auch nicht um einen Wegeunfall gehandelt. Nach § 8 Abs 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) seien Wege zwischen der eigenen Wohnung und der Arbeitsstätte versichert. Abs 2 Nr 1 SGB VII stelle das Zurücklegen des unmittelbaren, also direkten Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter Versicherungsschutz. Nrn 2 und 3 stellten das Abweichen (also einen Umweg oder Abweg) von dem direkten Weg für die genannten Fälle unter Versicherungsschutz. Allen Fallgestaltungen sei jedoch gemeinsam, dass der Weg rechtlich wesentlich in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen müsse. Der innere Zusammenhang beschreibe die rechtliche Zurechenbarkeit des unfallbringenden Verhaltens des Versicherten zu dem versicherten Tätigkeitsbereich. Wesentlich für die Zurechenbarkeit zur versicherten Tätigkeit sei die finale Handlungstendenz des Versicherten. Die Beigeladene habe selbst mitgeteilt, dass sie einen Teleworking-Arbeitsplatz zu Hause habe und am Unfalltag den Weg von zu Hause aus angetreten habe, um ihre Tochter in den Kindergarten zu bringen. Danach wollte sie nach Hause zurückfahren, um dort dann zu arbeiten. Der Unfall habe sich auf dem Rückweg vom Kindergarten zu der Wohnung ereignet, nachdem sie die Tochter in den Kindergarten gebracht habe. In diesem Fall habe sie sich somit auf einem Weg befunden, der allein aus dem privaten Grund angetreten worden sei, die Tochter in den Kindergarten zu bringen. Der Umstand, dass sie dieses getan habe, um anschließend ihre Arbeit zu Hause verrichten zu können, mache ihre berufliche Tätigkeit lediglich zu einer Ursache im philosophischen Sinn für das Zurücklegen des Weges. Ohne die Absicht, das Kind in den Kindergarten...