Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. über eine Agentur vermittelte Tätigkeit als Honorararzt und Facharzt für Radiologie in einem städtischen Klinikum. Abgrenzung. selbstständige Tätigkeit. abhängige Beschäftigung

 

Orientierungssatz

Zur Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bei einer über eine Agentur vermittelten Tätigkeit als Honorararzt und Facharzt für Radiologie in einem städtischen Klinikum.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.06.2019; Aktenzeichen B 12 R 12/18 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 25. Juli 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,00 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Tätigkeit des Beigeladenen als Radiologe in der Klinik der Klägerin der Sozialversicherungspflicht unterlag.

In der Sache geht es nur um die Sozialversicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, weil der Beigeladene von der Rentenversicherungspflicht befreit ist und wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht besteht.

Der Beigeladene ist Facharzt für Radiologie. Er war vor und nach dem streitigen Zeitraum als Honorararzt in verschiedenen Krankenhäusern tätig. In der Zeit vom 29. Juli bis zum 31. Oktober 2010 war er (ausschließlich) als Honorararzt bei der Klägerin tätig.

Vermittelt über die Agentur “doctari„ schlossen der Beigeladene und die Klägerin folgende Verträge:

1. Am 3. Mai 2010 für die Zeit vom 19. Juli bis zum 30. September 2010,

2. am 24. August 2010 für die Zeit vom 1. bis 31. Oktober 2010.

Für diese Zeiträume vereinbarten die Klägerin und der Beigeladene einen Stundensatz von 100,00 Euro.

Der Beigeladene rechnete nach den in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen zu dem vereinbarten Stundensatz sowohl Stunden im Tagesdienst als auch Stunden aktiver Bereitschaftsdienste sowie - mit einem Betrag von 50% bzw. 30% des Stundensatzes - Stunden für Rufbereitschaftsdienste ab. Dabei überstiegen die abgerechneten Stunden für die beiden Arten der Bereitschaftsdienste diejenigen der Tagesdienste oft um mehr als das Doppelte.

Insgesamt zahlte die Klägerin dem Beigeladenen im streitigen Zeitraum ein Honorar vom 111.515,00 € sowie an “doctari„ eine Vermittlungsprovision von 9.000,00 €. Die Verträge beruhten inhaltlich auf einem Muster der Vermittlungsagentur und waren nicht speziell für Radiologen angepasst. Sie wurden jeweils gleichlautend geschlossen. Wegen des Inhalts wird Bezug genommen auf die in den Verwaltungsakten befindlichen Vertragskopien auf Bl. 17f. und Bl. 39 f. der Verwaltungsakten.

Am 27. Juni 2011 ging bei der Beklagten der Antrag der Klägerin auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen für die eben genannten Tätigkeiten ein. Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit an die Klägerin und den Beigeladenen gerichteten Bescheiden vom 6. Dezember 2011 fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen im fraglichen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Grund dafür sei, dass bei dem Beigeladenen bei Gesamtwürdigung aller Umstände der Ausübung der Tätigkeit die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen würden. Es bestehe eine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Die dagegen eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 30. Oktober 2012 zurück.

Gegen diese Entscheidungen hat die Klägerin am 21. November 2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben. Sowohl sie als auch der Beigeladene haben geltend gemacht, Letzterer sei nicht in den Betriebsablauf des Krankenhauses integriert gewesen. Er habe keine Patienten behandelt, habe keinen Weisungen eines Chefarztes unterlegen und habe an keinen krankenhausinternen Veranstaltungen, wie etwa Fortbildungen teilgenommen. Vielmehr habe er ausschließlich Akten bearbeitet und radiologische Aufnahmen ausgewertet. Die Beklagte hingegen hat weiterhin die Auffassung vertreten, bei dem Beigeladenen hätten im fraglichen Zeitraum die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwogen, insbesondere sei er in den Betriebsablauf der Klägerin wie ein abhängig beschäftigter Arzt eingegliedert gewesen und habe Anweisungen des Chefarztes unterlegen.

Während der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltsgrenze nicht bestehe. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.

Mit Urteil vom 25. Juli 2014 hat das SG die Bescheide der Beklagten vom 8. Dezember 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. April...

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