Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilungsvertrag ab 1.4.2005. Unterteilung homogener Arztgruppen in Untergruppen. Verstoß gegen höherrangiges Recht

 

Orientierungssatz

Der Honorarverteilungsvertrag für 2005 der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen verletzt höherrangiges Recht, weil eine Unterteilung homogener Arztgruppen (Untergruppen 1-3) bei der Verteilung der Gesamtvergütungen den gesetzlichen Vorgaben nach § 85 Abs 4 S 7 SGB 5 nicht entspricht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.02.2014; Aktenzeichen B 6 KA 16/13 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. September 2010 und die Bescheide der Beklagten vom 10. Oktober 2005 und 6. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 8. März 2006 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Honoraranspruch der Klägerin in den Quartalen II/2005 und III/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe vertragsärztlichen Honorars in den Quartalen II/2005 und III/2005.

Die Klägerin nimmt als Fachärztin für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil.

Mit den Bescheiden vom 10. Oktober 2005 und 6. Januar 2006 setzte die Beklagte das auszuzahlende Honorar der Klägerin in den Quartalen II/2005 und III/2005 auf 28.820,68 Euro bzw 27.810,51 Euro fest. Grundlage hierfür war der zwischen der Beklagten und den Krankenkassen (KKen) bzw ihren Verbänden vereinbarte und zum 1. April 2005 in Kraft getretene Honorarverteilungsvertrag (HVV). Dieser sah in Anl 2 die Einführung von Regelleistungsvolumen (RLV) in Form arztgruppenspezifischer Grenzwerte vor, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum im jeweiligen Kalendervierteljahr erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des HVV vereinbarten festen Punktwert zu vergüten sind.

Nach § 3 Abs 2 Nr 2 der Anl waren für die darin genannten Arztgruppen mit mehr als 20 Mitgliedern jeweils drei Untergruppen mit unterschiedlichen Fallpunktzahlen (FPZ) zur Berechnung der RLV zu bilden. Maßstab für die Bestimmung der FPZ war der durchschnittliche Fallwert einer Arztpraxis in Punkten für RLV-relevante Leistungen in den Referenzquartalen III/2003 bis II/2004. Arztpraxen mit Fallwerten von bis zu 15 % über bzw unter dem Arztgruppendurchschnitt bildeten die Untergruppe 2 (U2), Arztpraxen mit höheren Fallwerten die Untergruppe 3 (U3) und die Praxen mit niedrigeren Fallwerten die Untergruppe 1 (U1). Für die Fachgruppe der Klägerin (Fachärzte für Allgemeinmedizin) ergab dies je nach Alter der Patienten folgende FPZ:

 Untergruppe 1 = 420,1/464,1/872,1

 Untergruppe 2 = 453,6/550,6/996,5

 Untergruppe 3 = 514,1/705,6/1.165,6

Ergänzend hierzu sah der HVV in Anl 3 Regelungen für die Verteilung der begrenzten Gesamtvergütung vor. Nach § 14 der Anl waren die Leistungen des RLV mit einem Regelleistungspunktwert von 3,4424 Cent zu vergüten. Hingegen konnten die das RLV überschreitenden Leistungen mit einem abgesenkten Punktwert vergütet werden, mindestens aber mit 0,1 Cent. Weiter war in § 14 Abs 3 der Anl geregelt, dass - soweit das Honorarkontingent einer Fachgruppe nicht ausreicht, um den Regelleistungspunktwert und die übrigen im HVV vorgesehenen Mindestpunktwerte auszahlen zu können - eine gleichmäßige Quotierung der für diese Leistungsbereiche ursprünglich anerkannten Punktzahlanforderungen erfolgt, bis die jeweiligen Punktwerte erreicht werden.

Die Widersprüche der Klägerin gegen den auf dieser Grundlage für die Quartale II/2005 und III/2005 erlassenen Honorarbescheide blieben erfolglos (gemeinsamer Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 8. März 2006; zur Post gegeben am 27. März 2006).

Die Klägerin hat am 19. April 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und dort geltend gemacht, die Beklagte habe sie in die Untergruppe 1 eingestuft, obwohl eine gesetzliche Grundlage für eine derartige Differenzierung innerhalb derselben Facharztgruppe nicht ersichtlich sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom15. September 2010 abgewiesen. Die Bildung von Untergruppen im HVV der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage hierfür sei S 2 der Anl 1 zum Beschluss des Bewertungsausschusses (BewA) gemäß § 85 Abs 4a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Festlegung von Regelleistungsvolumina (Beschluss vom 29. Oktober 2004, DÄ 2004, A-3129 ff). Die Kammer habe keinen Anlass, die Rechtmäßigkeit dieser Regelung in Zweifel zu ziehen.

Gegen dieses Urteil (zugestellt am 14. Oktober 2010) hat die Klägerin am 15. November 2010 (einem Montag) Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vo...

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