Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. sonstiger Versicherungspflichtiger. Bezug von Übergangsgeld wegen beruflicher Rehabilitation. kein Versicherungspflichtverhältnis. Verlängerung der Rahmenfrist. Verfassungsmäßigkeit. Unmittelbarkeit. Unterbrechung zwischen zwei Zeiten des Bezugs von Verletztengeld durch mehr als 15-monatigen Übergangsgeldbezug
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bezug von Übergangsgeld wegen beruflicher Rehabilitation begründet keine Versicherungspflicht nach § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III und ist dementsprechend nicht anwartschaftsbegründend iSd § 142 SGB III. Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Anschluss an BSG vom 4.12.2014 - B 5 AL 1/14 R = SozR 4-4300 § 28a Nr 9).
2. Zur Unmittelbarkeit iSd § 26 Abs 2 letzter Halbsatz SGB III (hier: verneint bei einem zeitlichen Abstand von ca 15,5 Monaten zwischen einem ersten und einem zweiten Zeitraum des Bezugs von Verletztengeld bei Unterbrechung durch den Bezug von Übergangsgeld wegen beruflicher Rehabilitation).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 10. November 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) nach Maßgabe des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Streitig ist insbesondere die Erfüllung der Anwartschaft.
Nachdem der 1962 geborene Kläger zuletzt in der Zeit von Mai bis Dezember 2009 Alg bezogen hatte, war er vom 1. Januar 2010 bis 18. September 2011 bei der H. GmbH als Montageleiter beschäftigt. In diesem Arbeitsverhältnis erlitt er am 1. August 2011 einen Arbeitsunfall, aufgrund dessen ihm eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 % bewilligt wurde (vgl. Bescheid der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse - BG ETEM - vom 8. Dezember 2015). Unmittelbar im Anschluss an das Beschäftigungsverhältnis bei der H. GmbH war der Kläger bis zum 28. Februar 2012 als Serviceleiter bei der I. GmbH beschäftigt. Aufgrund arbeitsunfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bezog er vom 1. März 2012 bis 8. Januar 2013 Verletztengeld. Anschließend absolvierte er vom 9. Januar 2013 bis 25. April 2014 eine von der BG getragene berufliche Reha-Maßnahme (Umschulung zum Technischen Betriebswirt), während der er Übergangsgeld bezog. Nach einem erneuten Bezug von Verletztengeld wegen arbeitsunfallbedingter Arbeitsunfähigkeit (26. April 2014 bis 30. September 2015) war der Kläger als Ausbilder (Dozent) bei der J. GmbH beschäftigt. Die am 1. Oktober 2015 aufgenommene Beschäftigung endete noch während der Probezeit durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 29. März 2016.
Den vom Kläger für die Zeit ab 30. März 2016 gestellten Alg-Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass der Kläger die zwölfmonatige Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe (Bescheid vom 14. April 2016).
Hiergegen erhob der Kläger am 6. Mai 2016 Widerspruch und machte geltend, dass der Bezug von Verletztengeld lediglich durch das während der Umschulung zum Technischen Betriebswirt bezogene Übergangsgeldbezug unterbrochen worden sei. Er sei sowohl vor als auch nach den beiden Verletztengeldbezugszeiten versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, so dass die Anwartschaftszeit erfüllt sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass die Zeit des Übergangsgeldbezugs (9. Januar 2013 bis 25. April 2014) nicht anwartschaftsbegründend sei, weil es sich hierbei um eine berufliche und nicht um eine medizinische Rehabilitation gehandelt habe. Der nach Abschluss der beruflichen Rehabilitation erfolgte erneute Verletztengeldbezug (26. April 2014 bis 30. September 2015) sei ebenfalls nicht anwartschaftsbegründend, da der Kläger nicht unmittelbar zuvor versicherungspflichtig gewesen sei, sondern eine berufliche Rehabilitation absolviert habe (mit Bezug von Übergangsgeld). Eine solche berufliche Reha-Maßnahme führe zwar zu einer entsprechenden Verlängerung der für die Anwartschaftszeit maßgeblichen Rahmenfrist um die Anzahl der Tage der Reha-Maßnahme (hier: 472 Tage; maßgebliche Rahmenfrist somit: 14. Dezember 2012 bis 29. März 2016). In dieser verlängerten Rahmenfrist sei der Kläger jedoch lediglich an 207 Tagen versicherungspflichtig gewesen, nämlich 26 Tage wegen des Bezugs von Verletztengeld und 181 Tage aufgrund der Beschäftigung bei der J. GmbH. Somit werde die für einen Alg-Bezug erforderliche Anwartschaftszeit von 360 Tagen nicht erfüllt (Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2016, Eingang beim Bevollmächtigten des Klägers am 17. Mai 2016).
Am 15. Juni 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stade sowohl Klage erhoben als auch einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das Eilverfahren ist erst- und zweitinstanzlich erfolglos geblieben. Das SG und der 12. Senat des...