Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegevergütung. verfahrensfehlerhafter Schiedsspruch. Festsetzung der Pflegesätze und Festlegung der wesentlichen Qualitäts- und Leistungsmerkmale in getrennten Verfahren. Schutzwirkung von § 84 Abs 5 SGB 11. Organisation nach sog "Hausgemeinschaftsmodell". vollständiger Verzicht auf externen Vergleich nur ultima ratio

 

Orientierungssatz

1. Die Schiedsstelle ist nicht berechtigt, über die Festsetzung der Pflegesätze in einem eigenständigen, von der ebenfalls beantragten Feststellung der wesentlichen Qualitäts- und Leistungsmerkmalen getrennten Verfahren, zu entscheiden.

2. § 84 Abs 5 SGB 11 ist zur Überzeugung des Senats nicht als bloße Ordnungsvorschrift zu verstehen, sondern entfaltet eine vom Gesetzgeber intendierte Schutzwirkung zugunsten der Parteien der Pflegesatzvereinbarung, die diese mit eigenen verfahrensbezogenen Rechten versieht.

3. Ist der Einrichtungsträger der einzige in der Vergleichsregion, der ein sog "Hausgemeinschaftsmodell" anstrebt, muss dies nicht bedeuten, dass deshalb die Vornahme eines externen Vergleichs ausgeschlossen ist. Dem externen Vergleich kommt für die Beurteilung der Angemessenheit der geltend gemachten Pflegesätze nach der Rechtsprechung des BSG entscheidende Bedeutung zu. Der Senat zieht hieraus den Schluss, dass der vollständige Verzicht auf einen externen Vergleich nur als "ultima ratio" in Betracht kommt, wenn sich Einrichtungen mit einer vergleichsgeeigneten Struktur schlechthin nicht finden lassen.

 

Tenor

Der Schiedsspruch der Beklagten vom 25. November 2008 (Pflegesätze) wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, einen neuen Schiedsspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 69.323,92 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Pflegesätze für das J. der Beigeladenen zu 2) durch Schiedsspruch der Beklagten vom 25. November 2008.

Das J. wurde am 1. Dezember 2008 in Betrieb genommen. Es ist die Nachfolgeeinrichtung des ebenfalls von der Beigeladenen zu 2) betriebenen K.. Zwischen dieser und den Verbänden der Pflegekassen bestand für dieses Heim eine Vergütungsvereinbarung vom 13. Februar 2003, jedoch keine Leistungs- und Qualitätsvereinbarung.

Die Beigeladene zu 2) beabsichtigte mit der Inbetriebnahme des L. eine Neuausrichtung ihres Pflegeangebots und wandte sich im August 2008 zur Aufnahme von Verhandlungen über die Pflegesätze und die Leistungs- und Qualitätsmerkmale an die Pflegekassen. Nach der von ihr verfolgten Planung sollte das Heim eine gegenüber dem M. um 12 auf 130 verringerte Zahl an Pflegeplätzen zur Verfügung stellen, von denen 30 in einem zu diesem Zweck umgebauten Krankenhaus der N., die übrigen in einem Neubau eingerichtet werden sollten. Das neue O. sollte nach einem “Hausgemeinschaftsmodell„ organisiert werden, dabei sollten 9 Hausgemeinschaften gebildet werden, bei denen Präsenzkräfte 10 Stunden am Tag anwesend sein sollten, um die Bewohnerinnen und Bewohner zu versorgen.

Eine Einigung zwischen den Vertragsparteien der Pflegesatz-Verhandlungen kam in der Folgezeit nicht zustande. Dabei scheiterten die Verhandlungen im Wesentlichen deshalb, weil  die Beigeladene zu 2) im Rahmen der zu vereinbarenden Leistungs- und Qualitätsmerkmale den Personalschlüssel im Bereich der Wirtschaftsdienste gegenüber den Verhältnissen im Altenzentrum R. erhöhen und damit zum Gegenstand der zu vereinbarenden Pflegesätze machen wollte.

Die Beigeladene zu 2) wandte sich am 7. Oktober 2008 an die Beklagte und beantragte die Einleitung eines “Schiedsstellenverfahrens zur Festsetzung der Vergütung und der wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale nach § 84 Abs. 5 SGB XI„ mit den Begehren, bestimmte Personalschlüssel festzulegen und für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2009 die Entgelte in der Stufe G auf 29,76 €, in der Stufe I auf 47,99 €, in der Stufe II auf 61,47 € und in der Stufe III auf 75,40 € täglich - jeweils zuzüglich eines Entgelts für Unterkunft von 20,12 € und eines solchen für Verpflegung von 4,88 € festzusetzen.

Zur Begründung bezog sie sich auf eine beigefügte Darstellung des Pflegekonzepts sowie weitere kalkulatorische Unterlagen über ihre Gestehungskosten und erläuterte, es sei eine 3%ige Lohnanpassung berücksichtigt worden. Eine Bemessung der Pflegesätze anhand eines externen Vergleichs werde abgelehnt; in der Vergleichsregion (der Stadt P.) gebe es keine vergleichbaren Einrichtungen, die sich am Hausgemeinschaftsmodell orientierten.

Die Beklagte ordnete die beiden Begehren der Beigeladenen zu 2), bestimmte Personalschlüssel festzulegen und die Entgelte für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2009 zu bestimmen, zwei getrennten Schiedsverfahren (Az. LSPf 17/2008 LQM und LSPf 18/2008 PflegeS) zu und beteiligte die Q., die R. sowie die Stadt P. an beiden Verfahren.

Die R. teilte daraufhin schriftsätzlich mit, sie ha...

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