Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. bedarfsorientierte Grundsicherung bzw Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl. Fehlen eines Mietvertrages
Orientierungssatz
1. Die für Unterkunft und Heizung in dem auch von einem Sozialhilfeempfänger bewohnten Haus erforderlichen Aufwendungen gem § 3 Abs 1 Nr 2 GSiG bzw § 42 S 1 Nr 2 SGB 12 in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung sind anteilmäßig auf alle Bewohner des Hauses zu verteilen, sodass unabhängig von der (vertraglichen) Zahlungsverpflichtung auf jeden Bewohner ein (im Regelfall gleicher) Kostenanteil entfällt. Mit den "tatsächlichen Aufwendungen" in den genannten Vorschriften sind nicht nur die den Leistungsempfänger direkt treffenden Verpflichtungen, sondern die auf das Wohnobjekt entfallenden Kosten gemeint.
2. Leben nicht hilfebedürftige und hilfebedürftige Personen, die miteinander verwandt oder verschwägert sind, in Haushaltsgemeinschaft, bestehen die (angemessenen) Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft in einem Teil der (angemessenen) Aufwendungen, die für die Wohnung der Haushaltsgemeinschaft zu entrichten sind (vgl BVerwG vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 = BVerwGE 79, 17, VG Augsburg vom 21.12.2004 - AU 3 K 04.617 sowie BSG vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07 R und vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R = BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 5. Januar 2007 aufgehoben sowie die Bescheide des Beklagten vom 15. September 2005, 16. September 2005 (zwei Bescheide) und 21. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2006 geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Januar 2006 höhere Grundsicherungsleistungen für Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen, und zwar unter Berücksichtigung von einem Drittel der für das Haus ... anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) bzw dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit von Januar 2003 bis Januar 2006. Streitig ist nunmehr nur noch, ob für die Klägerin Leistungen für die Unterkunft zu erbringen sind.
Die 1969 geborene Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 100 (Merkzeichen G, H, RF) anerkannt. Sie lebt bei ihren Eltern in deren Einfamilienhaus; dort fallen Aufwendungen lediglich für Nebenkosten (für 2007 monatlich 96,20 € für Abfallbeseitigung, Grundsteuer, Abwasser, Schornsteinfegergebühren, Wasserversorgung und Wohngebäudeversicherung) sowie Heizung (monatlich 125,00 €) an. Vereinbarungen über eine Beteiligung der Klägerin an den Kosten bestehen nicht. Die Klägerin ist in einer WfbM beschäftigt. Ihr monatlicher Verdienst beträgt zwischen 95,50 € und 176,50 €, jeweils inklusive eines Arbeitsförderungsgeldes von 26,00 €. In der WfbM wird Mittagessen zur Verfügung gestellt, welches die Klägerin überwiegend dort auch zu sich genommen hat. Die Kosten des Aufenthalts in der WfbM werden von dem Beklagten als Eingliederungshilfe übernommen. Ab März 2003 bezieht die Klägerin wegen eines Arbeitsunfalls eine Unfallrente in Höhe von 176,11 € monatlich, die seit Dezember 2003 laufend gezahlt wird (Bescheid der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege vom 6. November 2003), und seit November 2007 eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 672,65 € monatlich.
Bis einschließlich April 2003 erhielt die Klägerin von der namens und im Auftrag des Beklagten handelnden Samtgemeinde B laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Höhe von monatlich 90,21 €. Nachdem die Samtgemeinde bei ihrem Amt für Grundsicherung einen Antrag auf Leistungen nach dem GSiG ab Januar 2003 von Amts wegen gemäß § 91a BSHG gestellt hatte, bewilligte die Samtgemeinde mit Bescheid vom 17. April 2003 Leistungen nach dem GSiG in Höhe von 99,06 € monatlich bis auf Weiteres. Die für die Monate Januar bis April 2003 gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 360,84 € wurde aufgrund eines Erstattungsverlangens an das Sozialamt der Samtgemeinde gezahlt. Gegen den Bescheid legte die durch ihre Betreuerin, ihre Mutter, vertretene Klägerin am 22. April 2003 Widerspruch ein. Ihres Erachtens sei das Arbeitsförderungsgeld kein Einkommen, der Freibetrag aus Erwerbstätigkeit nach § 76 Abse 2, 2a BSHG müsse höher sein, das Kindergeld dürfe nicht als Einkommen der Klägerin berücksichtigt werden und es müssten Leistungen für die Unterkunft übernommen werden. In der Folgezeit ruhte das Widerspruchsverfahren wegen eines hinsichtlich der Anrechnung des Kindergeldes beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)...