Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Aufteilung der Unterkunftskosten nach dem Kopfteilprinzip. keine Ausnahme bei sanktionsbedingtem Wegfall des Unterkunftskostenanteils eines Mitgliedes der Haushaltsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. In Haushaltsgemeinschaften besteht - anders als in Bedarfsgemeinschaften - kein Anlass, bei sanktionsbedingtem Wegfall des KdUH-Anteils eines Mitglieds abweichend vom Kopfteilprinzip den verbleibenden hilfebedürftigen Mitgliedern einen höheren KdUH-Anteil zuzusprechen.
2. Wird gegen ein Mitglied einer Haushaltsgemeinschaft eine 100%-Sanktion festgestellt, kann dem Verlust der Wohnung durch die Gewährung eines Darlehens an dieses Mitglied nach § 22 Abs 8 SGB II begegnet werden.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. März 2017 (S 31 AS 5202/14) aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) an die Klägerin für die Monate September bis November 2014, in denen für den mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden Sohn eine Sanktion (100%) verfügt wurde.
Die 1956 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1981 geborenen Sohn in einer 69,56 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung in H. Sie steht - mit einer kurzen Unterbrechung - seit 2005 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Der Sohn erhält - als eigene Bedarfsgemeinschaft - ebenfalls von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 27. Juni 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. August 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin neben den Leistungen für den Regelbedarf die Hälfte der von ihr tatsächlich zu zahlenden KdUH iHv 271,50 Euro für die Zeit vom 1. September 2014 bis
31. Januar 2015.
Am 17. September 2014 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 1. August 2014 (§ 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X). Sie gab an, der Bescheid sei falsch geworden, weil dem zur Haushaltsgemeinschaft gehörenden Sohn die SGB II-Leistungen sanktionsbedingt gekürzt worden seien und er ab September 2014 für 3 Monate keine KdUH mehr erhalte. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe ein höherer Anspruch für sie. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. September 2014 den Antrag ab. Der Bescheid sei zutreffend. Die angeführte Rechtsprechung des BSG beziehe sich auf die Sanktionierung eines in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern lebenden unter 25 Jahre alten Leistungsempfängers. Das treffe hier nicht zu.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch wiederholte die Klägerin, unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip auch im Falle der hier bestehenden Haushaltsgemeinschaft erforderlich. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12. November 2014 zurück. Die Klägerin bilde mit ihrem Sohn eine Haushaltsgemeinschaft. In Haushaltsgemeinschaften seien die KdUH kopfanteilig zu berücksichtigen. Das geschehe hier. Die Rechtsprechung des BSG erlaube vorliegend keine andere Würdigung. Denn in dem vom BSG entschiedenen Fall habe eine Bedarfsgemeinschaft bestanden.
Mit der am 21. November 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ihr Begehren weiter verfolgt. Der Beklagte hat seine Auffassung wiederholt, die BSG-Rechtsprechung beziehe sich ausschließlich auf die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft. Soweit sich in der BSG-Entscheidung vom 22. August 2013 - B 14 AS 85/12 R - der Satz finde „Gleiches gilt im Grundsatz auch bei Haushaltsgemeinschaften unter Verwandten“ habe sich dies nur auf die grundsätzlich vorzunehmende kopfanteilige Berücksichtigung bezogen und stelle eine Abgrenzung zu Wohngemeinschaften, in denen regelmäßig eine vertragliche Vereinbarung zu dem Mietanteil nach Nutzungsintensität vorliege, dar.
Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 8. März 2017 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Bescheid vom 1. August 2014 für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2014 abzuändern und der Klägerin weitere KdUH iHv insgesamt 814,50 Euro zu bewilligen. In den Verhältnissen, die bei Erlass des Änderungsbescheides vorgelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Klägerin habe für die Zeit der Sanktionierung ihres Sohnes und der fehlenden Gewährung von KdUH an ihn Anspruch darauf, dass vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen abgewichen werde. Nach der Rechtsprechung des BSG werde in den Fällen, in denen bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für KdUH weggefallen seien, eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezo...