Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Unterlassen der Prüfung der stationären oder ambulanten Behandlungsbedürftigkeit durch MDK. kein Rückforderungsanspruch. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 1 KR 35/17 R
Orientierungssatz
1. Eine Krankenkasse verletzt ihre Pflicht zur Plausibilitäts- und ggf weiteren Prüfungen (sachlich-rechnerische Richtigkeit, Auffälligkeitsprüfung) objektiv und subjektiv, wenn sie es auch in Kenntnis der § 301er-Meldung unterlassen hat, die Frage der stationären oder ambulanten Behandlungsbedürftigkeit schon ab Rechnungseingang durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen zu lassen. In diesem Fall darf sie ihren Rückforderungsanspruch wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht geltend machen, auch nicht im Wege der Aufrechnung.
2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG wirkungslos.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 21. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.174,23 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Rechtsträgerin des zugelassenen Krankenhauses P... Kliniken, in dem sich der bei der beklagten Krankenkasse (KK) gesetzlich krankenversicherte K... D..., (im Folgenden: Versicherter), geboren 1933, im Zeitraum vom 21. Mai 2010 bis zum 22. Mai 2010 in vollstationärer Behandlung befand. Der Versicherte wurde zum Zwecke der Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung (HKU), linke Seite bei bestehender diffuser Koronarsklerose, Neigung zur Radikadie etc. vollstationär aufgenommen. Mit Schlussrechnung vom 28. Mai 2010 forderte die Klägerin für die stationäre Behandlung des Versicherten unter Angabe der DRG F49G (invasive kardiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt, ein Belegtag, Alter über 14 Jahren) von der Beklagten einen Betrag in Höhe von 1.174,23 Euro, den die Beklagte zunächst auch beglich. Ein Prüfverfahren wegen sachlich/rechnerischer Richtigkeit oder einer Auffälligkeitsprüfung unter Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeleitet.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Liste mit Operationsfällen, die nach Auffassung der Beklagten routinemäßig ambulant durchgeführt hätten werden können. Darunter befand sich auch der Fall des Versicherten. Die Beklagte wies in dem Schreiben darauf hin, dass das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 21. März 2013, Az.: B 3 KR 28/12 R, entschieden habe, dass solche ambulant durchführbaren Behandlungen bei tatsächlich erfolgter vollstationärer Versorgung den Krankenkassen gegenüber begründungspflichtig seien. Die erforderlichen Angaben zum Grund der stationären Aufnahme seien bisher nicht übermittelt worden. Das BSG habe entschieden, dass bei fehlender Begründung die Entgeltforderung des Krankenhauses nicht fällig werde. In diesem Zusammenhang werde auch auf das Urteil des BSG vom 16. Mai 2012, Az.: B 3 KR 14/11 R, verwiesen. Die Beklagte forderte die Klägerin mit Fristsetzung auf, eine entsprechende Begründung für die stationäre Behandlungsbedürftigkeit zu übermitteln. Die Klägerin kam dieser Begründung nicht nach.
Die Beklagte führte daraufhin am 12. Dezember 2014 eine Verrechnung mit einer Sammelrechnung betreffend anderer, unstreitiger Behandlungsfälle in Höhe von 1.174,23 Euro durch.
Ohne ein Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4b Satz 3 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) - in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung durchgeführt zu haben, hat die Klägerin am 30. Dezember 2014 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Der vorliegende Behandlungsfall datiere aus dem Jahre 2010, mithin also deutlich vor der ersten und der zweiten Entscheidung des BSG. Die durch die Beklagte durchgeführte Verrechnung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Rechtsprechung des BSG könne keine Wirkung für die Vergangenheit entfalten. Die Verpflichtung zur Angabe eines Grundes der Aufnahme für vor Verkündung der beiden Urteile stattgefundene Behandlungsfälle stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar. Zumindest sei der Beklagten ein zu langes Zuwarten vorzuwerfen und der geltend gemachte Anspruch deshalb verwirkt. Die Beklagte könne den behaupteten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht mehr geltend machen. Einer medizinischen Überprüfung durch den sozialmedizinischen Dienst sei der Behandlungsfall nicht mehr zugänglich. Jedenfalls folgere aus der Leistung auf eine angeblich nicht fällige Rechnung kein Rückforderungsanspruch, der darüber hinaus auch verjährt...