Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Berufsschadensausgleich. Schädigung während des Studiums. Abbruch des Studiums und Aufgabe von studentischen Nebenbeschäftigungen. Abstellen auf den "Hätte-Beruf" ab dem Zeitpunkt des hypothetischen Studienabschlusses. pauschalierte Entschädigung beruflicher Schäden. Berufsschadensausgleichsverordnung. Einstufung. Leistungsgruppe II. Voraussetzungen für Höherstufung. leitender Angestellter mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis
Orientierungssatz
1. Für die Gewährung von Berufsschadensausgleich wegen einer Schädigung während des Studiums ist auf den "Hätte-Beruf" nach dem Studium (hier eines Lebensmittelchemikers), und nicht auf studentische Nebenberufe abzustellen. Der Berufsschadensausgleichs bezweckt nicht, auch den konkreten Einkommensverlust im Hinblick auf schädigungsbedingt abgebrochene studentische Nebenbeschäftigungen auszugleichen.
2. Der Begriff des leitenden Angestellten mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis in § 3 Abs 4 BSchAV (aF) ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift eng auszulegen. Es muss sich hierbei um Angestellte handeln, deren Stellung über die Tätigkeit eines Angestellten der Leitungsgruppe II herausragt. Diese Angestellten müssen in der Regel unternehmerische Funktionen hinsichtlich eines wesentlichen Teilbereichs des Unternehmens selbständig und selbstverantwortlich wahrnehmen.
3. Die Anwendung des § 3 Abs 5 BSchAV (aF) setzt eine abgeschlossene Hochschulausbildung voraus.
4. § 2 Abs 3 S 2 BSchAV (aF), wonach ein durch die Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf zu berücksichtigen ist, zielt nur auf Fallgruppen, in denen die beschädigte Person trotz der Schädigung in ihrem bisherigen oder angestrebten Beruf arbeitet.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 20. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht teilweise abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung von Berufsschadensausgleich bereits ab dem 1. Oktober 1989 sowie unter Zugrundelegung eines höheren Vergleichseinkommens gemäß § 30 Abs. 3 BVG zu.
Berufsschadensausgleich erhalten nach § 30 Abs. 3 BVG rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist.
Zum Vergleichseinkommen bestimmt § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG in der hier in Anwendung von § 87 BVG maßgebenden bis 30.06.2011 geltenden Fassung (a.F.), dass sich dieses nach näherer Ausgestaltung der Sätze 2 bis 6 aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe errechnet, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Dazu ergänzt § 30 Abs. 5 Satz 2 BVG a.F., dass zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens die jeweils am 31. Dezember bekannten Werte der amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamts für das Bundesgebiet und die beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs- , Vergütungs- oder Lohngruppen des Bundes aus den drei letzten der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen sind.
§ 30 Abs. 5 Satz 1 und 2 BVG in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung ist vorliegend für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum anwendbar, obwohl zum 1. Juli 2011 das Recht zur Ermittlung der Vergleichseinkommen grundlegend geändert worden ist. Jedoch bewirkt die Übergangsvorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 1 BVG , dass für den Kläger, der seinen Antrag auf Berufsschadensausgleich vor dem 1. Juli 2011 gestellt hat, das unmittelbar vor der Rechtsänderung maßgebende Vergleichseinkommen weiterhin Bemessungsgrundlage ist (vgl. Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Auflage, 2012, § 87 Rd.-Nr. 4 sowie § 30 Rd.-Nr. 26; ebenso: LSG Bayern vom 16. Oktober 2018, L 15 VH 2/14 , juris, Rn. 88 ).
Gemäß § 2 BSchAV in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung (a. F.) wird für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens nach § 30 Abs. 5 BVG zunächst danach differenziert, ob der Beschädigte unselbstständig in der privaten Wirtschaft, selbstständig oder im öffentlichen Dienst tätig wäre. Zutreffend hat der Beklagte gemäß § 3 BSchAV a. F. das Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit in der privaten Wirtschaft zugrunde gelegt und nicht ein Durchschnittseinkommen aus selbständiger Tätigkeit oder aus Tätigkeit im öffentlichen Dienst.
Wie der Beklagte bereits anerkannt hat, hätte der Kläger ohne die Schädigung wahrscheinlich sein Hochschulstudium der Lebensmittelchemie erfolgreich abgeschlossen.
Anzeichen dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Schädigung eine selbständige Tätigkeit nach Abschluss seines Hochschulstudium...