Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Bemessung des Berufsschadensausgleichs nach der Neufassung des § 87 BVG zum 1. 7. 2011
Leitsatz (amtlich)
Von der Anknüpfung des Berufsschadensausgleiches an die jährliche Anpassung der gesetzlichen Renten durch § 87 Abs. 1 BVG in der Fassung ab 1. Juli 2011 sind auch solche Empfänger von Berufsschadensausgleich erfasst, bei denen die Bemessung dieser Leistung in der Vergangenheit anhand der beamtenrechtlichen Besoldungsgruppen erfolgt ist. Eine Fortführung der bisherigen Bemessung gem. § 30 Abs. 5 BVG durch eine teleologische Reduktion des § 87 Abs. 1 BVG ist ausgeschlossen. § 87 Abs. 1 BVG ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Stichtagsregelung begründet weder einen Verstoß gegen Art. 14 GG noch gegen Art. 3 GG.
Orientierungssatz
1. Ist ein Berufsschadensausgleich bereits vor dem 1. 7. 2011 festgesetzt worden, so ist dieser nach § 87 BVG zu bemessen.
2. Sinn und Zweck der Neuregelung des § 87 BVG zum 1. 7. 2011 war die Begründung einer einfachen und transparenten Lösung bei der zunehmend problematischen Bemessung des Berufsschadensausgleichs. Die Ermittlung des Vergleichseinkommens sollte ab dem 1. 7. 2011 auf eine neue Grundlage gestellt werden. Die Neuregelung unterscheidet nicht mehr, ob während der Zeit der Berufstätigkeit eine selbständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung ausgeübt worden ist.
3. § 30 Abs. 5 BVG knüpft die Ermittlung des Vergleichseinkommens nicht mehr an das Durchschnittseinkommen für einzelne Berufsgruppen, sondern ausschließlich auf das Durchschnittseinkommen der Entgeltgruppen des BBesG. Zusätzlich wurde die Stichtagsregelung in § 87 BVG aufgenommen, durch die die Anpassung des Berufsschadensausgleichs für bereits laufende Fälle an die Rentenentwicklung geknüpft ist.
4. § 87 BVG ist verfassungsgemäß. Die Vorschrift verletzt keinen durch Art. 14 GG begründeten Vertrauensschutz. Die Stichtagsregelung verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. Oktober 2015 wird aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Berufsschadensausgleich anhand einer höheren Bemessungsgrundlage durch die Beklagte.
Der 1945 geborene Kläger hatte 1967 in Ausübung der Wehrpflicht einen Verkehrsunfall erlitten und war infolgedessen auf beiden Augen erblindet. Ihm war eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 % zuerkannt worden. Dies stützte sich neben der Erblindung beider Augen auf die - zum Teil nachträglich - anerkannten Schädigungsfolgen: leichte neurologische und psychische Störungen nach offener Schädelhirnverletzung mit Knochenbrüchen im Gesichtsschädelbereich, Verlust des Geruchssinnes sowie Nasenscheidewandverbiegung mit Verwachsungen und stark behinderter Nasenatmung, Stirnhöhlenimpressionsfraktur, Siebbein- und Kieferhöhlenfrakturen beiderseits.
Nach der Entlassung aus dem Wehrdienstverhältnis zum 1. April 1968 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit als Masseur auf. Er bezog zudem Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG), die auch einen Berufsschadensausgleich beinhaltete. Mit Bescheid vom 7. Juni 2010 wurde die Versorgung letztmalig anhand von § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung bis 30. Juni 2011 festgesetzt. Gem. § 30 Abs. 5 Satz 1 und 2 BVG in der Fassung bis 30. Juni 2011 wurde der Berufsschadensausgleich nach einem Vergleichseinkommen festgesetzt, das unter anderem aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe ermittelt wurde, der die Beschädigten ohne die Schädigung nach ihren Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätten. Die Durchschnittseinkommen wurden je nach Tätigkeit entweder aus den Werten der amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamts oder den beamtenrechtlichen Besoldungsgruppen des Bundes (Bundesbesoldungsgesetz (BBesG)) bestimmt. Für den Kläger als früher selbständig Erwerbstätigen wurde das Durchschnittseinkommen nach § 5 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40a Abs. 1 bis 5 des Bundesversorgungsgesetzes (Berufsschadensausgleichsverordnung, BSchAV) idF bis 30. Juni 2011 auf der Grundlage des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppen nach dem BBesG ermittelt. In dem Bescheid berücksichtigte das ursprünglich beklagte Land Niedersachsen ein Vergleichseinkommen in Höhe des Endgrundgehaltes A9 zuzüglich Familienzuschlag Stufe 1 des BBesG und errechnete einen Betrag in Höhe von 521,00 €. Die Bemessungsgrundlage wurde auch in allen nachfolgenden Bescheiden des ursprünglich beklagten Landes über die Versorgung als Vergleichseinkommen benannt.
Mit Bescheid...