Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Betriebsweg. sachlicher Zusammenhang. gemischte Tätigkeit. Unfallkausalität. Ausführen des Hundes. Verunfallung durch den Hund

 

Leitsatz (amtlich)

Mangels Unfallkausalität liegt kein Arbeitsunfall vor, wenn der Versicherte bei einem Betriebsweg gleichzeitig seinen Hund ausführt und dabei vom Hund umgerissen wird und stürzt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. September 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Der 1952 geborene Kläger ist seit 1985 als Uhrmachermeister und Juwelier selbstständig tätig. Am Abend des 15. Juli 2015 war er in F. zu Fuß unterwegs und führte dabei seinen Hund mit sich. Auf einem Fußweg am G. stürzte der Kläger und fiel auf die linke Hüfte. Wegen starker Schmerzen wurde er am Folgetag in das H. F. gebracht. Im Übergabeprotokoll des Rettungsdienstes ist vermerkt worden, dass der Kläger am Vorabend beim Spazierengehen mit einem Hund gestürzt und auf die linke Seite gefallen sei.

Die behandelnden Ärzte im Klinikum stellten eine mediale Oberschenkelhalsfraktur fest und versorgten diese operativ (Bericht Dr. I. ua vom 22. Juli 2015). Im Anschluss wies der Durchgangsarzt auf unterschiedliche Darstellungen des Unfallhergangs durch den Kläger hin. In der ersten Schilderung habe der Kläger angegeben, dass er auf dem Heimweg von einem Kunden einen Hund dabeigehabt habe, der durch eine Katze abgelenkt gewesen sei und ihn umgerissen habe. In der zweiten Variante habe er geschildert, dass er ausgerutscht und auf die linke Hüfte gefallen sei (Durchgangsarztbericht Dr. I. vom 24. Juli 2015).

Gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, dass sein in J. als Goldschmiedemeister tätiger Bruder K. die Schmuckreparaturen übernehme, die der Kläger in seinem Geschäft von Kunden annehme. Am Unfalltag sei er nach Geschäftsschluss mit seinem Bruder auf dem Parkplatz am L. verabredet gewesen, um ein kleines Päckchen mit reparierten Schmuckstücken entgegenzunehmen. Nach der Übergabe des Päckchens sei der Kläger auf dem Rückweg zu seiner Wohnung auf dem vom Regen am Vortag rutschigen Gehweg ausgerutscht und über seinen Hund gefallen (Schreiben vom 10. August 2015).

Mit Bescheid vom 2. März 2016 lehnte die Beklagte sinngemäß die Anerkennung des Unfallereignisses vom 15. Juli 2015 als Arbeitsunfall ab. Es bestünden erhebliche Zweifel am Vorliegen einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt. Angesichts unterschiedlicher Angaben zum Unfallhergang sei nicht bewiesen, dass sich der Unfall tatsächlich auf einem Geschäftsweg ereignet hat.

Den dagegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2016 zurück. Ein geschäftliches Treffen auf dem Parkplatz am L. sei weiterhin nicht nachgewiesen. Zudem habe sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Heimweg befunden, sondern habe aus privaten, eigenwirtschaftlichen Zwecken (Gassi gehen mit dem eigenen Hund durch eine Grünanlage) einen Umweg gewählt, wodurch sich der Heimweg von 6 Minuten auf über eine halbe Stunde verlängert habe.

Am 12. Juli 2016 hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben und dort geltend gemacht, dass sich die Zweifel der Beklagten am Unfallhergang insbesondere aus einer falschen Darstellung im Operationsbericht des M. ergäben, die mittlerweile vom Klinikum richtiggestellt worden sei. Zudem stellten die Angaben im Durchgangsarztbericht und im Übergabeprotokoll des DRK den tatsächlich vom Kläger geschilderten Verlauf des Unfalls nicht korrekt dar. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt auch auf dem direkten Weg vom Parkplatz zu seiner Wohnung befunden.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. September 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Ereignis vom 15. Juli 2015 könne nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, weil sich nicht feststellen lasse, dass tatsächlich die Zurücklegung eines beruflich bedingten Weges zum Unfallereignis geführt hat. Vielmehr lägen erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Sturz seine Ursache nicht in der Bewältigung der Wegstrecke hatte, sondern in der nicht dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallenden, durch das private Mitführen des Hundes begründeten Tiergefahr. Darauf deute zunächst die erste der beiden im Durchgangsarztbericht vermerkten Unfallschilderungen hin, wonach der Hund durch eine Katze abgelenkt gewesen sei und den Versicherten umgerissen habe. Das Gericht sei überzeugt, dass diese Schilderung nur deswegen Eingang in den Bericht gefunden haben kann, weil sie zumindest sinngemäß vom Kläger gegenüber dem Arzt in dieser Weise abgegeben wurde. Trotz ihrer Kürze sei sie derart prägnant, dass es lebensfern erscheine, dass der Durchgangsarzt die Schilderung aufgrund eines Missverständnisses in wesentlich entstellter Weise niedergeschriebe...

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