Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelverzeichnis. Streichung von wassergefüllten Kissen und Wassermatratzen für die Dekubitusprophylaxe und -therapie nicht rechtswidrig. Nachweis eines Hilfsmittelherstellers iSd § 139 Abs 4 SGB 5 nicht allein durch jahrelange/n Herstellung / Vertrieb. Beschränkung der Aufklärungspflicht des Gerichts zur Feststellung der Funktionstauglichkeit, der Qualität und/oder des therapeutischen Nutzens eines (neuen) Hilfsmittels im Rahmen des § 139 SGB 5 in der Fassung vom 26.3.2007. kein Anspruch eines Hilfsmittelherstellers aus Art 12 Abs 1 GG auf Einsatz nicht als wirksam belegter Hilfsmittel zu Lasten der GKV
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung des GKV-Spitzenverbandes, dass wassergefüllte Kissen und Wassermatratzen für die Dekubitusprophylaxe und -therapie ungeeignet waren und daher entsprechende Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis nicht mehr aufzuführen, ist nicht rechtswidrig.
2. Bezieht sich ein Hilfsmittelhersteller lediglich darauf, dass er das Hilfsmittel seit Jahren herstellt und vertreibt und selbst von dem therapeutischen Nutzen ausgeht, so reicht dies als Nachweis iSd § 139 Abs 4 SGB 5 nicht aus.
3. Eine Aufklärungspflicht des Gerichts zur Feststellung der Funktionstauglichkeit, der Qualität und/oder des therapeutischen Nutzens eines (neuen) Hilfsmittels besteht nach § 139 SGB 5 in der Fassung vom 26.3.2007 nur dann, wenn ein Hersteller selbst bereits Tatsachen vorgetragen oder Nachweise vorgelegt hat, die geeignet sind, die Erkenntnisse des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes substantiiert in Zweifel ziehen.
4. Die Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG gewährt keinen Anspruch eines Hilfsmittelherstellers darauf, nicht als wirksam belegte Hilfsmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung einsetzen zu können, sondern nur darauf, dass über den Beleg der Wirksamkeit in einem rechtmäßigen Verfahren entschieden wird (vgl BSG vom 12.8.2009 - B 3 KR 10/07 R = BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Herausnahme von Hilfsmitteln aus dem Hilfsmittelverzeichnis.
Klägerin war die I. GmbH, die seit 01. Januar 2010 in die I. Beratungs-GmbH umgewandelt worden ist (Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 30. Dezember 2009- Auszug aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts Hannover). Seit 23. April 2013 GmbH ist die Firma in die J. geändert worden (Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 25. März 2013).
Die I. GmbH stellte u.a. folgende Produkte her:
Hydromed -Flüssigkeitsmatratze Mod. KS/H (Hilfsmittelposition: 11.11.04.1000)
Hydromed Flüssigkeitsmatratze Mod. KS (Hilfsmittelposition: 11.11.04.1000)
Wassermatratzensystem Hydro-leicht (Hilfsmittelposition: 11.11.03.4025)
Hydro Med -Soft (Hilfsmittelposition: 11.11.03.4028).
Diese Produkte wurden in der Dekubitusprophylaxe und -therapie angewandt.
Der I. GmbH wurde mit Schreiben vom 13. Dezember 2006 mitgeteilt, die Spitzenverbände der Krankenkasse hätten die Produktgruppe 11 “Hilfsmittel gegen Dekubitus„ fortgeschrieben. Seit dem 20. Dezember 2005 könnten in der Produktgruppe 11 “Hilfsmittel gegen Dekubitus„ wassergefüllte Kissen und Wassermatratzen nicht mehr berücksichtigt werden. Bei Wasserkissen habe nicht nachgewiesen werden können, dass der Auflagedruck auf einem Wasserkissen im Vergleich zu anderen Unterlagen wesentlich erhöht sei. Außerdem verfügten Wasserkissen über eine hohe Wärmeleitfähigkeit, was einen körpertemperatursenkenden Effekt zur Folge habe. Diese Kissen wirkten zudem aufgrund der hohen Scherkräfte ungünstig auf die dekubitusgefährdete Haut. Der Einsatz derartiger Produkte zur Dekubitusprophylaxe und -therapie sei nicht sachgemäß. Wassermatratzen führten zu einer extremen Form der Weichlagerung, so dass durch fehlende Berührungsreize eine ggf. noch mögliche Eigenaktivität in der Lagekorrektur unterbunden werde. Damit bestehe die Gefahr einer immobilitätsbedingten Beugekontraktur in Hüft- und Kniegelenken und einer Veränderung des subjektiven Körperschemas. Darüber hinaus sei aufgrund der Ausgleichbewegung des Wassers eine Aktivierung des auf einer Wassermatratze gelagerten Patienten nicht möglich. Die Wassermatratze als Produkt zur Dekubitusprophylaxe und/oder -therapie erschwere sogar die pflegerische Aktivität. Aus diesen Gründen hätten die Spitzenverbände entschieden, derartige Produkte in der neuen Produktgruppe 11 “Hilfsmittel gegen Dekubitus„ nicht mehr zu berücksichtigen und die bislang gelisteten Produkte aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu entfernen.
Die I. GmbH beantragte daraufhin am 16. Dezember 2006 die erneute Aufnahme der Hydromedprodukte Hydromed leicht, Hydromed KS, Hydromed KS/H und Hydromed Soft in das Hilfsmittelverzeichnis. Diesen Antrag lehnten die Spitzenverbände der Krankenkassen mi...