Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.04.2019; Aktenzeichen B 12 KR 19/18 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. September 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin auf Leistungen aus Kapitallebensversicherungen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten hat.

Die 1953 geborene Klägerin ist in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der beklagten Krankenkasse (KK) krankenversichert. Am 1. Februar 2013 zahlte der F. Lebensversicherungs-AG zwei Lebensversicherungen an sie aus, und zwar in Höhe von 8.385,23 Euro und in Höhe von 49.293,11 Euro (insgesamt 57.678,34 Euro).

Mit Bescheid vom 6. März 2013 stellte die Beklagte fest, dass für die Beitragsbemessung 1/120 dieser Leistungen (480,65 Euro) als monatlicher Zahlbetrag gelte, d.h. die Kapitalleistung werde ab dem 1. März 2013 bis zum 28. Februar 2023 auf 10 Jahre umgelegt. Die Gesamteinkünfte in Höhe von 480,65 Euro seien in voller Höhe beitragspflichtig. Ab dem 1. März 2013 betrage der Beitrag zur Krankenversicherung 74,50 Euro und zur Pflegeversicherung 9,85 Euro, also insgesamt 84,35 Euro.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 25. März 2013. Sie sei seinerzeit dazu ermutigt worden, Einzahlungen in eine Direktversicherung auf Kosten ihrer regelmäßigen Bezüge zu leisten, da diese Zahlungen sowohl lohnsteuer- als auch sozialversicherungsrechtlich begünstigt worden seien. Dieser Effekt sei dadurch konterkariert worden, dass nachträglich Sozialversicherungsbeiträge auf die Auszahlung der Direktversicherung erhoben worden seien. Dadurch werde ihr berechtigtes Vertrauen verletzt. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 wies die beklagte KK den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid zurück. Die von dem G. Lebensversicherungs-AG ausgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 57.578,34 Euro würden der Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterliegen. Die Klägerin sei verpflichtet, seit dem 1. März 2013 für die Dauer von 10 Jahren entsprechende monatliche Beiträge aus 1/120 des vorgenannten Betrages zu entrichten. Der aus den Kapitalleistungen zu entrichtende Monatsbeitrag belaufe sich in der Krankenversicherung auf derzeit 74,50 Euro. Als der Rente vergleichbare Einnahmen im Sinne von § 226 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) würden auch Renten der betrieblichen Altersversorgung gelten. Die von der Klägerin ausgezahlten Ansprüche würden offenbar aus sog. Direktversicherungen stammen und zählten damit zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen im vorgenannten Sinne. Seine dazu ergangene Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht (BSG) auch noch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 229 SGB V fortgeführt. Die Beitragspflicht von Kapitalleistungen habe das BSG insbesondere mit Urteilen vom 13. September 2006 (Az.: B 12 RK 17/06 R), vom 12. Dezember 2007 (Az.: B 12 KR 2/07 R) und vom 25. April 2007 (Az.: B 12 KR 25/05 R) bestätigt. Es liege hier eine sog. unechte Rückwirkung vor, welche nach herrschender Rechtsauffassung auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden sei. Außerdem sei das BSG zu dem Ergebnis gekommen, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) durch die Verpflichtung der Versicherten, Beiträge auf als Kapitalleistung ausgezahlte Versorgungsbezüge zu zahlen, nicht verletzt werde. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 7. April 2008, 1 BvR 1924/07, ausgeführt, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege, Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen der Beitragspflicht zu unterwerfen. Mit Beschluss vom 6. September 2010, 1 BvR 739/08, habe das BVerfG diese Auffassung nochmals bestätigt und ausgeführt, dass eine Beitragspflicht auch dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, wenn die Kapitalleistung auf Eigenleistung des Versicherten beruhe. Dies gelte, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts, also im Falle der Direktversicherung der auf den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer laufende Versicherungsvertrag, zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung genutzt werde. Entscheidungserheblich sei demnach allein, ob der Arbeitgeber Versicherungsnehmer gewesen sei. Dem Einwand der Klägerin, dass ihr Vertrauen verletzt worden sei, könne damit nicht gefolgt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2014 wies auch die Pflegekasse der Beklagten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. März 2013 zurück. Die Klägerin habe aus den Kapitalleistungen Monatsbeiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von derzeit 9,85 Euro zu entrichten. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 7. Mai 2014 Bezug genommen.

Die Klägerin hat (bereits) am 12. Juni 2014 gegen den Beitragsbescheid zur gesetzlichen Krank...

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