Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschädigtenrente. Unmittelbare Schädigung. Schockschaden. Veränderte Lebensumstände
Leitsatz (redaktionell)
Zwar kann sich eine gesundheitliche Schädigung nach § 1 OEG auch dadurch ergeben, dass der Betroffene von einem tätlichen Angriff gegen eine ihm nahestehende Person erfährt (sog. Schockschaden). Nicht mehr erfasst sind aber psychische Beeinträchtigungen, die sich beim Betroffenen erst im Laufe der Zeit aufgrund veränderter Lebensumstände einstellen, etwa aufgrund der belastenden Pflege des Gewaltsopfers.
Normenkette
OEG § 1 Abs. 1 S. 1; BVG § 30 Abs. 1-3
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 24. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind die Höhe des Grades von Schädigungsfolgen (GdS), die Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie die Gewährung von Berufsschadensausgleich nach dem OEG i.V.m. den Vorschriften des BVG.
Der 1984 geborene Sohn der 1962 geborenen Klägerin wurde am 26. Mai 2007 Opfer einer schweren Körperverletzung. Er ist seitdem schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie pflegebedürftig.
Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten am 25. Juni 2007 die Gewährung von Leistungen nach dem OEG unter dem Gesichtspunkt des Schockschadens. Sie sei durch das Ereignis traumatisiert und leide seitdem unter erheblichen psychischen Folgen. Der Beklagte zog die Verfahrensakte des Landgerichts I. (Az.: 10 Ns 1/09) sowie medizinische Unterlagen über die Klägerin bei und holte sodann ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. unter Mitwirkung der Fachärztin für Psychiatrie Dr. K. vom 14. September 2010 nebst ergänzender Stellungnahme vom 8. Juli 2010 ein. Mit Erstanerkennungsbescheid vom 7. September 2010 erkannte der Beklagte bei der Klägerin sodann als Schädigungsfolgen “psychoreaktive Störungen„ an und gewährte der Klägerin Beschädigtenversorgung ab dem 1. Mai 2007 nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin, mit dem sie die Feststellung eines GdS von 70 begehrte, half der Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 23. März 2011 insoweit ab, als er ab dem 1. Mai 2007 einen GdS in Höhe von 40 feststellte. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Feststellung eines höheren GdS als 40, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2011 als unbegründet zurück.
Am 5. März 2010 beantragte die Klägerin außerdem die Gewährung von Berufsschadensausgleich sowie die Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Januar 2011 ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2011 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 7. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2011 am 16. März 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben, mit der sie die Gewährung von Beschädigtenrente nach einem GdS von mindestens 50 begehrt hat. Gegen den Bescheid des Beklagten vom 5. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2011 hat die Klägerin am 2. Mai 2011 Klage vor dem SG Hildesheim erhoben, mit der sie die Gewährung von Berufsschadensausgleich sowie die Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit begehrt hat. Mit Beschluss vom 19. Juni 2012 hat das SG Hildesheim die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 24. April 2013. Dieser ist in seinem Gutachten im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin an einer mehrdimensionalen psychosomatischen Störung leide. Diese Erkrankung sei jedoch nicht kausal auf die Benachrichtigung von der Verletzung ihres Sohnes zurückzuführen, sondern resultiere aus der veränderten Lebenssituation der Klägerin infolge der Pflegebedürftigkeit und Schwerstbehinderung ihres Sohnes.
Mit Urteil vom 24. Juli 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. G. keine Anhaltspunkte für das Vorliegen mittelgradiger sozialer Anpassungsschwierigkeiten fänden, die für die Feststellung eines höheren GdS als 40 erforderlich wären. Das Gutachten von Dr. J. und Dr. K., dem die Empfehlung eines GdS von 70 zugrunde lag, sei demgegenüber in weiten Teilen nicht nachvollziehbar, zumal das Gutachten nicht zwischen den Folgen des Schockschadens sowie schädigungsunabhängigen psychischen Belastungen der Klägerin differenziere. Hinsichtlich der Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie der Gewährung von Berufsschadensausgleich hat das SG zunächst auf die Begründung des Widerspruch...