nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit Nr. 4104. Lungenkarzinom. Hinterbliebenenrente

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Rechtsvermutung des § 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist auch dann anwendbar, wenn die bescheidmäßige Feststellung der Berufskrankheit sowie der Mindererwerbsfähigkeit von mindestens 50 v.H. nicht (mehr) zu Lebzeiten des Versicherten, sondern erst postum gegenüber seinen Rechtsnachfolgern erfolgt.

2. Das Fehlen eines Kausalzusammenhangs ist nur dann offenkundig i.S.d. § 63 Abs. 2 SGB VII, wenn entweder keine oder lediglich eine entfernt liegende und rein theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs besteht.

3. Ein offenkundig fehlender Ursachenzusammenhang zwischen Berufskrankheit und Tod liegt dann vor, wenn die Berufskrankheit mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod des Versicherten in medizinischem Sinne nicht erheblich mit verursacht und ihn mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt hat.

4. Der Unfallversicherungsträger trägt die objektive Beweislast für die Offenkundigkeit i.S.d. § 63 Abs. 2 SGB VII.

5. Zwar sind bei der Prüfung der Offenkundigkeit i.S.d. § 63 Abs. 2 SGB VII alle verwertbaren Erkenntnisse heranzuziehen; sobald jedoch nach Abschluss eines mehrjährigen Verwaltungs- und Klageverfahrens mit umfangreicher, im Ergebnis differierender Beweisaufnahme weitere Ermittlungen notwendig sind, scheidet die Offenkundigkeit eines fehlenden Kausalzusammenhang von vornherein aus.

6. Ein die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ablehnender Bescheid wird nicht nach § 96 SGG Gegenstand des noch zu Lebzeiten des Versicherten anhängig gemachten auf die Anerkennung einer Berufskrankheit gerichteten Klageverfahrens.

 

Normenkette

SGB VII § 63 Abs. 1-2; RVO § 589 Abs. 2; BVG § 38 Abs. 1 S. 2; SGG § 96

 

Verfahrensgang

SG Stade (Entscheidung vom 24.01.2002; Aktenzeichen S 11 U 198/99)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.02.2006; Aktenzeichen B 2 U 31/04 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichtes Stade vom 24. Januar 2002 wird aufgehoben. Die Berufungsbeklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 11. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2004 verurteilt, der Berufungsklägerin anstelle der bereits gewährten Hinterbliebenenbeihilfe Hinterbliebenenrente zu gewähren. Die Berufungsbeklagte erstattet der Berufungsklägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Tatbestand:

Streitbefangen ist zuletzt noch der Anspruch der Berufungsklägerin auf Hinterbliebenenrente nach ihrem am 24. November 1997 verstorbenen Ehemann C ...

Der 1941 geborene C. (im Folgenden: Versicherter) war von 1955 bis 1996 (mit kurzzeitigen Unterbrechungen wegen Arbeitslosigkeit) als gewerblicher Arbeitnehmer in der Baubranche abhängig beschäftigt (überwiegend als Maurer). Am 28. November 1996 erstattete Prof. Dr. D. (Allgemeines Krankenhaus E.) wegen des beim Versicherten diagnostizierten Lungenkarzinoms eine Berufskrankheitenanzeige, woraufhin ein Feststellungsverfahren zur Berufskrankheit (BK) Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) eingeleitet wurde. Im Verwaltungsverfahren konnte das Ausmaß der Exposition des Versicherten gegenüber Asbest aufgrund der Vielzahl der Beschäftigungsverhältnisse (bei zum Großteil nicht mehr existierenden Unternehmen) nur unvollständig aufgeklärt werden. Unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten ("Modellbelastung für den Beruf des Maurers") ging die Berufungsbeklagte zuletzt von einer Gesamtbelastung von 14,99 Asbestfaserjahren aus (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufungsbeklagten vom 19. Januar 1998).

Zur Prüfung eines Kausalzusammenhangs zwischen Lungenkarzinom und beruflicher Tätigkeit des Versicherten holte die Berufungsbeklagte mehrere medizinische Gutachten ein: Nach dem röntgenologischen Gutachten des Dr. F. vom 01. April 1997 waren keine eindeutigen asbestassoziierten hyalinen oder verkalkten Pleuraplaques nachweisbar. Der Gutachter schlug jedoch eine weitergehende Diagnostik vor (Schichtaufnahmen der Lunge). In dem daraufhin nach Fertigung der Schichtaufnahmen erstellten röntgenologischen Gutachten vom 21. Juli 1997 beschrieben PD Dr. G. und H. pleurale Veränderungen, die mit einer geringgradigen asbestassoziierten Pleurafibrose vereinbar, nicht jedoch beweisend seien.

In dem nach Untersuchung von operativ entferntem Lungengewebe erstellten fachpathologischen Gutachten des Prof. Dr. I. und des Dr. J. vom 08. April 1997 wurde eine lediglich geringfügig vermehrte Asbestbelastung der Lungen beschrieben. Asbestinduzierte Lungenveränderungen i.S. einer Asbestose, Minimalasbestose oder einer diffusen Pleurafibrose lägen nicht vor. Die Gutachter verneinten aus pathologisch-anatomischer Sicht das Vorliegen einer BK 4104. Nachdem der Versicherte am 24. November 1997 verstorben war, holte die Berufungsbeklagte das fachpathologische Zusatzgutachten des Prof. Dr. I. un...

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