Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld. Einkommensanrechnung. Abzugspauschale. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die bei der Gewährung von Erziehungsgeld vorzunehmende Einkommensanrechnung ist grundsätzlich mit Hilfe einer Abzugspauschale von 27 vH vorzunehmen. Diese Einkommensberechnung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Erziehungsgeld (Erzg) nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) für den Zeitraum vom 3. Februar 1995 bis 2. August 1996.

Die Klägerin ist verheiratet und lebt mit ihrem Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt. Außer dem am 3. August 1994 geborenen Sohn L.-A. hatte sie im streitigen Zeitraum keine weiteren Kinder. Nach der Geburt ihres Sohnes übte die Klägerin zunächst keine Berufstätigkeit aus. Auf ihren Antrag erhielt sie von dem Beklagten nach dem Ende des Bezuges von Mutterschaftsgeld bis zum Ablauf der ersten sechs Lebensmonate des Kindes Erzg in der ungekürzten Höhe von 600,-- DM. Der Beklagte bewilligte nach Einkommensanrechnung das Erzg für den siebten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von 212,-- DM (Bescheid vom 23. November 1994). Von dem steuerpflichtigen Bruttogehalt für das Jahr 1994 des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 58.232,-- DM nahm der Beklagte einen Abzug in Höhe des Pauschbetrages von 2.000,-- DM für Werbungskosten und in Höhe des gesetzlichen Pauschalabzuges von 27 vH der Einkünfte vor. Das Erzg wurde um 40 vom Hundert (vH) des 29.400,-- DM übersteigenden Betrages - monatlich um 388,31 DM - gemindert. In ihrem Widerspruch vom 23. Dezember 1994 hob die Klägerin hervor, daß sie auf Erzg in voller Höhe angewiesen sei. Denn zu dem infolge der Aufgabe ihrer Berufstätigkeit niedrigeren Familieneinkommen seien Belastungen infolge des Erwerbs von Wohnungseigentum hinzugetreten. Die Bewilligung gekürzten Erzg zwinge sie dazu, bei ihrer früheren Arbeitgeberin aushilfsweise im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung tätig zu sein (Schreiben vom 27. Februar 1995). Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 1995 zurück. Zur Begründung führte sie aus, daß Sonderausgaben im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach der Neuregelung des BErzGG nur noch mit dem pauschalen Abzug um 27 vH des Einkommens Rechnung getragen werden könne. Durch diese pauschale Minderung habe der Gesetzgeber eine Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit erzielt. Weitere Beträge seien nicht abzugsfähig.

Dagegen hat die Klägerin am 28. April 1995 vor dem Sozialgericht (SG) Stade Klage erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, daß die pauschale Berechnung die tatsächliche finanzielle Situation ihrer Familie nicht genügend berücksichtige. So ergebe sich bei der pauschalen Berechnung ein anzurechnendes Einkommen von 41.449,-- DM. Bei einer individuellen Anrechnung unter Berücksichtigung des abzugsfähigen Förderungsbetrages für Wohneigentum liege das Einkommen nur noch bei einer Höhe von etwa 39.176,-- DM. Die rein abstrakte Berechnungsweise des § 6 BErzGG sei im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht verfassungsgemäß. Sie - die Klägerin - und ihr Ehemann hätten sich im Hinblick auf die staatlich zugesicherte Wohnungsförderung entschlossen, Wohnungseigentum zu erwerben. Wenn diese vom Gesetzgeber gewollte Förderung bei der abstrakten Berechnung in der Neufassung des § 6 BErzGG wegfalle, bedeute das im Ergebnis, daß ihr und ihrem Ehemann die gesetzlich zugesagte Förderung durch die Abrechnungsmechanismen beim Erzg wieder entzogen würden. Des weiteren sei es verfassungswidrig, daß die Einkommensgrenze in Höhe von 29.400,-- DM seit 1985 bestehe. Die bei der Einkommensberechnung maßgeblichen Gehälter enthielten seit Jahren einen Inflationsausgleich. Durch die fehlende Fortschreibung der Einkommensgrenze fielen somit förderungswürdige Einkommen aus der Förderung heraus, die ursprünglich gefördert werden sollten.

Mit Bescheid vom 30. November 1995 bewilligte der Beklagte Erzg für die Zeit vom 3. August 1995 bis 2. August 1996 in Höhe von 228,-- DM monatlich. Dieser Bescheid ist dem SG nicht mitgeteilt worden.

Das SG hat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht geteilt und die Klage gegen den Bescheid vom 23. November 1994 nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 26. September 1996 abgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat es die Berufung zugelassen.

Gegen das ihr am 2. Oktober 1996 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Oktober 1996 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und begehrt auch die Einbeziehung des Bescheides vom 30. November 1995 in diesen Rechtsstreit.

Die Klägerin beantragt nach dem schriftlichen Vorbringen ihrer Prozeßbevollmächtigten sinngemäß,

1. den Gerichtsbescheid des SG Stade vom 26. September 1996 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 23. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. ...

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