Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Pflegebedürftigkeit bei Vorliegen eines heredoangioneurotischen Ödems <Blutsystemerkrankung>
Orientierungssatz
Ein Versicherter, der an einem heredoangioneurotischem Ödem (Blutsystemerkrankung) leidet, wodurch Krankheitsschübe in unregelmäßigen Abständen mit einer Dauer von einigen Stunden bis zu zwei Tagen, im Durchschnitt drei bis viermal pro Woche, auftreten, ist nicht pflegebedürftig iS der §§ 14, 15 SGB 11, da ein täglicher Hilfebedarf nicht besteht.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Pflegegeld aus der Gesetzlichen Pflegeversicherung.
Der ... 1958 geborene Kläger leidet ua an einem heredoangioneurotischen Ödem, einer seltenen schweren Blutsystemerkrankung, die anfallweise in starken bis lebensbedrohlichen Schwellungen im Bereich des Kopfes, der inneren Organe und der Extremitäten ihren Ausdruck findet. Krankheitsschübe treten in unregelmäßigen Abständen mit einer Dauer von einigen Stunden bis zu 2 Tagen auf, im Durchschnitt drei bis viermal pro Woche.
Im Juni 1994 beantragte der Kläger Leistungen der Gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Beklagte veranlasste die Erstattungen eines Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN). In einem Gutachten vom 15. Juni 1995 kam Dr D zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger im Bereich der Grundpflege bei der Wahrnehmung der Verrichtungen des täglichen Lebens ein Hilfebedarf nur dann bestehe, wenn der Kläger unter Anfällen leide. Da dies nicht täglich der Fall sei, sondern nach den Angaben des Hausarztes nur vier- bis fünfmal in der Woche aber auch nicht jede Woche, fehle es an einem täglichen Hilfebedarf. In einem weiteren, auf Bitten des Klägers eingeholten Gutachten vom 15. März 1996 kam der MDKN wiederum zu dem Ergebnis, dass der bei dem Kläger im Bereich der Grundpflege, aber auch der hauswirtschaftlichen Versorgung bestehende Hilfebedarf nur etwa drei- bis viermal in der Woche im Verlauf auftretender Anfälle hervortrete, der Kläger im übrigen aber die Verrichtungen des täglichen Lebens selbständig wahrnehmen könne. Damit liege keine tägliche Pflegebedürftigkeit vor. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 04. April 1996 ab. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 07. Mai 1996 Widerspruch, mit dem ua die Einholung eines unabhängigen Obergutachtens begehrte und im übrigen betonte, dass er aufgrund seiner schweren Dauererkrankung fortlaufend so erheblich eingeschränkt sei, dass Pflegebedürftigkeit gegeben sei. Es gebe nur verhältnismäßig kurze Phasen, in denen er etwas besser gestellt sei. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1996 lehnte die Beklagte erneut die Gewährung von Leistungen ab, da Pflegebedürftigkeit nicht vorliege. Dies hätten die eingeholten Gutachten des MDKN ergeben. Neue Gesichtspunkte seien nicht zutage getreten. Vielmehr sei bekannt geworden, dass der Kläger als Mitglied eines "Pflegeteams" eines ambulante Pflegedienstes sogar wieder berufstätig sei. In seinem erneuten Widerspruch vom 01. November 1996 wies der Kläger daraufhin, dass von Berufstätigkeit keine Rede seien könne, sondern dass er bei einem Pflegedienst nur gelegentlich aushelfe, wenn es ihm besonders gut gehe. Mit Widerspruchsentscheid vom 13. Februar 1997 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers vom 07. Mai und 01. November 1996 zurück. Zur Begründung betonte sie erneut, dass der Kläger nicht täglich sondern nur drei- bis viermal in der Woche bei Auftreten entsprechender Anfälle einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege habe. Damit fehle es an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld.
Vor dem Sozialgericht (SG) Aurich hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass es zwar richtig sei, dass die Anfälle nur etwa drei- bis viermal pro Woche aufträten und nach Einnahme des Medikaments Berinert HS binnen sechs bis acht Stunden eine Besserung zeigten und nach etwa zwölf bis zwanzig Stunden abgeklungen seien. Meistens beständen die Beschwerden jedoch bis zum nächsten Anfall deutlich erkennbar fort, auch wenn die akuten Pflegebedürftigkeit in der letzten Phase des Abklingens nicht mehr bestehe. Die Erkrankung insgesamt sei von Dauer und unheilbar. Für die Annahme von Pflegebedürftigkeit können nur entscheidend sein, ob sie überwiegend gegeben sei. Dies sei bei dem Kläger bei Zugrundelegung von drei bis vier Anfällen wöchentlich im Durchschnitt, während derer er fast einen ganzen Tag ausfalle, der Fall. Dass dauernde Pflegebedürftigkeit vorliegt, würde offenkundig, wenn der Kläger regelmäßig bei Auftreten von Schwellungen das Krankenhaus aufsuchen würde. Dass er dies nicht tue und stattdessen von seiner Frau, einer gelernten Krankenschwester, gepflegt werde, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen.
Nach Einholung eines Befundberichtes des Allgemeinmediziners K vom 01. Dezember 1997 und eines Berichts des ...