Entscheidungsstichwort (Thema)
Seeleute. Beitragsfreiheit. Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge der bei der Seekasse versicherten Seeleute sind beitragsfrei.
2. Die in Abschnitt G der Achtzigsten Änderung der Bekanntmachung aller Durchschnittsheuern und Durchschnittssätze für Beköstigung der Seeleute vom 20.12.1990 (BAnz 1991, 162) festgesetzten Durchschnittsheuern stellen keine Durchschnittsentgelte iS des § 233 Abs 1 SGB 5 iVm §§ 841ff RVO (= § 92 SGB 7) dar.
3. Das bare Arbeitsentgelt iS des § 9 Abs 3 der Satzung der See-Krankenkasse vom 31.8.1989 iVm § 841 Abs 1 (= § 92 Abs 1 SGB 7) umfaßt keine regelmäßigen Nebeneinkommen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflichtigkeit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Die Klägerin betreibt das Fahrgastschiff MS H., das täglich zwischen E. und B. verkehrt. Die tägliche Arbeit der an Bord der MS H. Beschäftigten beginnt um 10.00 Uhr und endet um 18.00 Uhr. Alle Besatzungsmitglieder wohnen zu Hause und werden seit dem 1. März 1990 auch nicht mehr beköstigt.
Für die Beiträge der an Bord der MS H. beschäftigten Arbeitnehmer ist Abschnitt G der Beitragsübersicht der Beklagten einschlägig. Dieser ist wie folgt gestaltet: Auf der linken Seite sind die Kennzahlen 6400, 6410, 6430 und 6440 aufgeführt; ihnen zugeordnet sind die Dienststellungen Kapitän (§ 2 Seemannsgesetz), Schiffsoffiziere und sonstige Angestellte (§§ 4, 5 Seemannsgesetz) sowie sonstige Arbeitnehmer (§ 7 Seemannsgesetz), die Angestellte sind, Maschinenassistenten und letztendlich Schiffsleute (§ 6 Seemannsgesetz) sowie sonstige Arbeitnehmer (§ 7 Seemannsgesetz), die Arbeiter sind. In der Mitte enthält der Abschnitt G der Beitragsübersicht verschiedene Einkommensklassen. Diese sind in der Regel dergestalt aufgebaut, daß die Schwankungen zwischen dem Mindest- und Höchstverdienst der einzelnen Klassen 50,-- DM betragen und der Höchstbetrag der jeweils niedrigeren Einkommensklasse gleichzeitig der Mindestbetrag der nächst höheren Einkommensklasse ist. Auf der rechten Seite des Abschnitts G der Beitragsübersicht ist der Mittelbetrag jeder Einkommensklasse bzw der Mittelbetrag jeder Einkommensklasse plus oder minus 1,-- DM als Durchschnittsheuer einschließlich Sachbezüge ausgewiesen (s. Beitragsübersicht G Bundesanzeiger 1991 Nr 7 S 162).
Mit Schreiben vom 2. April 1990 beantragte die Klägerin sinngemäß, die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit von der Beitragsbemessung im Bereich der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung auszunehmen. Zur Begründung wies sie darauf hin, daß das Tätigkeitsbild der Besatzungsmitglieder der MS Harlekin weitgehend dem aller Landbeschäftigten entspreche. Die typischen Besonderheiten für Seeleute in der Seeschifffahrt lägen nicht vor. Dem habe die Beklagte auch Rechnung getragen, indem sie die Sozialversicherungsbeiträge nicht nach Durchschnittsheuern, sondern nach tatsächlichen Heuern berechnet habe. Zuschläge seien zum tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt aber nach § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) lohnsteuerfrei und damit nach § 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) auch renten-, kranken- und arbeitslosenversicherungsfrei.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Mai 1990 ab. Die Beiträge für Seeleute iSd § 13 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV), zu denen die Mitarbeiter an Bord der MS Harlekin zählten, würden nach Durchschnittsheuern gemäß §§ 841 ff Reichsversicherungsordnung (RVO) berechnet. Die Durchschnittsheuer sei ein Rechtsinstitut der Unfallversicherung. In der gesetzlichen Unfallversicherung seien aber Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, auch soweit sie lohnsteuerfrei seien (§ 3 ArEV). Im Abschnitt G der Beitragsübersicht seien ebenso wie in den anderen Abschnitten Durchschnittsheuern festgesetzt. Die Durchschnittsheuer sei für die Berechnung der Beiträge in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung maßgebliche Grundlage. Dies ergäbe sich aus § 1400 Abs 2 RVO bzw § 122 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und § 175 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). In diesem Sinne habe auch das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 28. Februar 1984 - 12 RK 8/83 - entschieden. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1990 - der Klägerin zugestellt am 21. Dezember 1990 - aus den Gründen der Erstentscheidung zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 17. Januar 1991 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und zur Begründung folgendes geltend gemacht: Nur wenn ein Durchschnittsentgelt nach § 842 RVO festgesetzt worden sei, richteten sich gemäß § 233 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) die Beiträge zur Krankenversicherung nach diesem fiktiven Entgelt. Dementsprechend führe auch nur die Festsetzung eines Durchschnittsentgelts über die Verweisungsvorschriften der §§ 1400 Abs 2...