Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsausschluß nach § 310 Abs 2 RVO. freiwillige Versicherung. Weitergeltung nach dem Inkrafttreten des GRG
Leitsatz (amtlich)
Der Leistungsausschluß, der für einen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nach § 310 Abs 2 RVO bestand, gilt nach Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes weiter (so auch LSG Berlin vom 12.4.1989 - L 9 Kr 71/88 = Die Leistungen 1990, 146).
Tatbestand
Der Kläger macht Erstattungsansprüche gegenüber der Beklagten wegen gewährter Krankenhilfeleistungen für den Beigeladenen geltend.
Der am 12. September 1960 geborene Beigeladene ist seit 12. Januar 1987 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Seit dem 2. September 1986 leistet die Stadt G., die die Aufgaben der Sozialhilfe für den Kläger wahrnimmt, Hilfe zum Lebensunterhalt an den Beigeladenen. Der Beigeladene leidet unter einer schweren Verlaufsform einer chronischen Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) (vgl Arztbrief des Gemeinnützigen Gemeinschaftskrankenhauses H., Klinikum der Universität W./H. vom 18. Januar 1991; Bericht des Vertrauensärztlichen Dienstes der Landesversicherungsanstalt - LVA - H. vom 28. Juni 1988).
Seinerzeit verneinte der Beigeladene in seinem Aufnahmeantrag über den freiwilligen Beitritt bei der Beklagten das Bestehen einer behandlungsbedürftigen Krankheit. Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens (bestandskräftiger Widerspruchsbescheid vom 8. September 1988) stellte die Beklagte nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten - der Bescheid selbst befindet sich nicht in den Akten - fest, daß der Kläger bereits bei seinem freiwilligen Beitritt an einer behandlungsbedürftigen Krankheit ("Encephalomyelitis disseminata") gelitten habe. Wegen dieser Krankheit bestehe ein Leistungsausschluß gemäß § 310 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Mit Schreiben vom 14. Oktober 1993 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch "nach § 104 SGB X" geltend, da er für den Beigeladenen nach § 37 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Krankenhilfe für die vom Leistungsausschluß betroffene Krankheit gewährt habe. Da nach dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V - ein Leistungsausschluß nicht mehr vorgesehen sei, werde dieser Anspruch geltend gemacht. Die Beklagte lehnte es mit Schreiben vom 22. Oktober 1993 an den Kläger ab, die Kosten zu erstatten.
Der Kläger hat am 27. Mai 1994 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und vorgetragen, die Beklagte könne sich nicht mehr nach Inkrafttreten der Bestimmungen des SGB V auf den Leistungsausschluß berufen. Übergangsregelungen bezüglich § 310 Abs 2 RVO seien nicht vorgesehen. Deshalb sei durch den Fortfall der Vorschrift zum 1. Januar 1989 die gesetzliche Grundlage für einen Leistungsausschluß entfallen. § 310 Abs 2 RVO sei daher unwirksam geworden. Der Leistungsanspruch des Hilfeempfängers gegenüber der Krankenkasse richte sich mithin seit dem 1. Januar 1989 allein nach den Vorschriften des SGB V.
Der Kläger hat einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 46.463,-- DM für den Zeitraum von 1989 bis Ende 1993 geltend gemacht. Er verweist hierzu auf seine Verwaltungsakte mit der Zusammenstellung "Aufstellung der Kosten nach § 37 BSHG" nebst Anlagen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Oktober 1995 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, im Falle des Beigeladenen seien die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 SGB V nicht erfüllt. Somit hätte dieser ab dem 1. Januar 1989 nicht mehr freiwilliges Mitglied der Beklagten werden können. Vor diesem Hintergrund sei es jedoch gerechtfertigt, daß ein bis zum Inkrafttreten des SGB V bestandener Leistungsausschluß auch darüber hinaus fortbestehe. Ansonsten würde der Beigeladene in nicht gerechtfertigter Weise begünstigt. Denn Zielrichtung des Gesetzgebers sei es gewesen, den Kreis der freiwillig Versicherten einzuschränken, ohne aber auf bis zum 31. Dezember 1988 begründete freiwillige Versicherungsverhältnisse Einfluß zu nehmen. Insofern sei bei sogenannten Altmitgliedern von einem Fortbestand des Leistungsausschlusses auszugehen. Das SG hat sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 12. April 1989 - L 9 Kr 71/88 - bezogen.
Gegen das ihm am 13. Dezember 1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Januar 1996 Berufung vor dem LSG Niedersachsen eingelegt. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach eine Übergangsregelung erforderlich gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber auch die noch von § 310 RVO aF ursprünglich erfaßten Altmitglieder aus dem Schutz des SGB V hätte ausklammern wollen. Da dies nicht geschehen sei, sei davon auszugehen, daß die Altmitglieder bis zu einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch die Krankenkasse den gleichen umfassenden Versicherungsschutz erführen wie alle übrigen ("neuen") Mitglieder der Krankenkasse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 18. Oktober 1995 aufzuheben und festzustellen, daß...