Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Pflichtbeitragszeiten für eine Lehrzeit
Orientierungssatz
Die Entstehungsgeschichte des § 247 Abs 2a SGB 6 bildet keinen durchschlagenden Grund für eine Auslegung, nach der sich der Anwendungsbereich auf solche Fälle beschränkt, in denen seinerzeit die Beitragszahlung in einem beitragspflichtigen Lehr- oder Ausbildungsverhältnis allein wegen bestehender Rechtsunklarheiten unterblieben ist (Anschluß an BSG vom 8.2.1996 - 13 RJ 45/94 = SozR 3-2600 § 247 Nr 1 und BSG vom 27.2.1997 - 4 RA 124/95).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Lehrzeit der Klägerin im Wege der Kontenklärung als Pflichtbeitragszeit festzustellen ist. Die Klägerin absolvierte in der Zeit vom 1. April 1951 bis 31. März 1954 eine Lehre als Verkäuferin bei der Firma G in H, einem Einzelhandel für Parfümerie-Artikel und Bürstenwaren. Im Anschluß an die Lehre war sie dort bis 1958 als Verkäuferin und Filialleiterin beschäftigt.
Während die Beklagte die Beschäftigungsdauer als Verkäuferin und Filialleiterin vom 1. April 1954 bis 30. April 1958 aufgrund nachgewiesener Beitragszahlungen als Pflichtbeitragszeit anerkannte, lehnte sie den Antrag der Klägerin vom 22. Juni 1995, auch die Lehrzeit vom 1. April 1951 bis zum 31. Mai 1954 als Pflichtbeitragszeit im Wege der Kontenklärung anzuerkennen, mit Bescheid vom 13. September 1995 ab. Hierfür war maßgeblich, daß die Klägerin zwar durch Vorlage eines Lehrzeugnisses das Lehrverhältnis selbst nachgewiesen hatte, sich die Entrichtung von Pflichtbeiträgen jedoch auch unter Einschaltung der in Betracht kommenden Träger der Krankenversicherung nicht hatte verifizieren lassen. Da auch die seinerzeitige Arbeitgeberin der Klägerin nicht mehr existierte, sah die Beklagte die Entrichtung von Beiträgen nicht als glaubhaft gemacht an. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 1996 zurück.
Am 23. Februar 1996 ist Klage erhoben worden, zu deren Begründung sich die Klägerin auf die zum 1. Januar 1992 in Kraft getretene Regelung des § 247 Abs. 2a SGB VI bezogen hat. Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, daß es hiernach zur Anerkennung ihrer Lehrzeit als Pflichtbeitragszeit nicht mehr der Glaubhaftmachung einer Beitragsentrichtung bedürfe. Vielmehr reiche es nach § 247 Abs. 2a SGB VI aus, daß sie nachweislich in einem Lehrverhältnis gestanden und gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG Beitragspflicht bestanden habe.
Mit seinem stattgebenden Urteil vom 28. August 1996 hat sich das Sozialgericht (SG) H die Rechtsauffassung der Klägerin zu Eigen gemacht. Zur Begründung im einzelnen hat es sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in der Entscheidung vom 8. Februar 1996 (Az.: 13 RJ 45/94) bezogen, nach der § 247 Abs. 2a SGB VI bei allen Versicherten zur Schließung von Beitragslücken während einer nachgewiesenen Lehrlings- oder sonstigen Berufsausbildung heranzuziehen sei, wenn diese Berufsausbildung nur in der Zeit vom 1. Juni 1945 bis 30. Juni 1965 stattgefunden habe.
Mit ihrer am 16. Oktober 1996 eingelegten Berufung tritt die Beklagte der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG entgegen. Nach ihrer Auffassung darf § 247 Abs. 2a SGB VI bei verständiger Auslegung nur in solchen Fällen Anwendung finden, in denen das Bestehen der Beitragspflicht während des im Gesetz genannten Zeitraums zweifelhaft gewesen sei. Dies ergebe sich aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung, nach der "grundsätzlich" Versicherungspflicht bestanden haben müsse. Hiermit habe der Gesetzgeber offensichtlich zum Ausdruck bringen wollen, daß nicht jedes versicherungspflichtige Ausbildungsverhältnis erfaßt werden solle. Den Begriff der "Grundsätzlichkeit" komme in diesem Sinne eine ähnliche Bedeutung zu wie der Wendung "dem Grunde nach". Im übrigen spreche - entgegen der Auffassung des BSG - auch die Entstehungsgeschichte der Norm dafür, daß lediglich solche Fälle bestehender Versicherungspflicht hätten erfaßt werden sollen, bei denen seinerzeit Rechtsunsicherheit bestanden habe. Fälle klarer Beitragshinterziehung dürften nicht privilegiert werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts H vom 28. August 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der die Klägerin betreffenden Rentenakte der Beklagten Bezug genommen. Diese ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil die Beklagte verpflichtet ist, die Lehrzeit der Klägerin vom 1. April 1951 bis 31. März 1954 nach § 247 Abs. 2a SGB VI als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen.
Hierfür reicht es - im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Beklagten - aus...