Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeit. Hauer. aus dem Steinkohlenbergbau abgekehrter Versicherter. verschlossener Arbeitsmarkt. Verweisungstätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Facharbeiterberuf des Hauers setzt voraus, daß der Versicherte auch schwere Arbeiten verrichten kann, er muß überwiegend stehen und Zwangshaltungen wie Bücken, Knien und Hocken, einnehmen und er ist der Einwirkung von Kälte, Zugluft, Stäuben sowie Gasen ausgesetzt.
2. Kann der Versicherte nicht mehr als Hauer tätig sein, reicht es für die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit nicht aus, bestimmte Tätigkeiten zusammengefaßt als zumutbar zu bezeichnen. Es ist ein typischer Arbeitsplatz zu benennen und festzustellen, welche Anforderungen in gesundheitlicher und fachlicher Hinsicht diese berufliche Tätigkeit stellt und ob der Versicherte ihr gewachsen ist. Die Anforderungen an die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit können grundsätzlich nur erfüllt werden, wenn zu den angesprochenen Punkten Beweis erhoben wird (Anschluß an BSG vom 29.3.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 45).
3. Als Verweisungstätigkeiten scheiden von vornherein alle Tätigkeiten im Steinkohlenbergbau und im Bergbau überhaupt aus, weil ein aus dem Bergbau abgekehrter Versicherter aufgrund der Praxis der Betriebe nicht eingestellt wird und ihm dieser Arbeitsmarkt verschlossen ist (vgl BSG vom 30.11.1983 - 5a RKn 28/82 = BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr 110, BSG vom 20.8.1987 - 5a RKn 16/86 = SozR 1500 § 62 Nr 24 und BSG vom 7.4.1992 - 8 RKn 1/91 = BSGE 70, 230 - SozR 3-2200 § 1276 Nr 3).
4. Die Tätigkeit des Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel kommt für einen Hauer nicht in Betracht, da sie ungelernt ist und damit zwei Stufen tiefer als die Facharbeitertätigkeit einzustufen ist, womit sie nicht zumutbar ist. Der Fahrer muß lediglich den Führerschein der Klasse 3 besitzen, wird ansonsten innerhalb weniger Tage in seine Arbeit eingewiesen und besetzt nach der von der Beklagten herausgegebenen und von dem berufskundlichen Sachverständigen bestätigten Tätigkeitsbeschreibung "eine geringe berufliche Qualifikation".
5. An dem unter 4. genannten Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß die Arbeitgeber der Auslieferungsfahrer diese in eine Lohngruppe der Angelernten einstufen. Die tarifliche Einstufung durch den Arbeitgeber kann widerlegt werden (vgl BSG vom 28.5.1991 - 13/5 RJ 69/90 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 14, BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 14/90 = BSGE 70, 56 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 21, BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 22/90 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 22 und BSG vom 16.12.1993 - 13 BJ 261/92 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 40). Das ist durch den berufskundlichen Sachverständigen und die eigene Tätigkeitsbeschreibung der Beklagten geschehen. Die Einstufung des Versicherten in die Angelernten-Lohngruppe ist damit nicht wegen der Qualität der Arbeit erfolgt und damit für die Frage der Verweisbarkeit unbeachtlich.
6. Ein Hauer ohne Ausbildung als Bergmechaniker ist auch nicht auf Tätigkeiten eines Hausmeisters oder Hauswarts in der Wohnungswirtschaft verweisbar, weil er die hierfür geforderten handwerklichen Fähigkeiten nicht besitzt.
Tatbestand
Der 1955 geborene Kläger begehrt die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 1991 durch Bescheid der Beklagten vom 18. März 1993 Bergmannsrente. Im Oktober 1993 beantragte er Rente wegen BU. Unterbrochen durch eine Tätigkeit im Straßentiefbau von 1972 bis 1980 war der Kläger im Bergbau beschäftigt, und zwar von 1970 bis September 1993 als Platzarbeiter, Bergjungarbeiter, Arbeiter an der Gefäßförderung, Neubergmann, Strebhauer 2, Kolonnenführer Transport und Unterhaltung, Hauer in der Gewinnung, von 1987 bis 1993 Reparaturhauer und zuletzt von Juni bis September 1993 als Streckensicherungsarbeiter. Die hat dem Kläger unter dem 5. Februar 1982 die Befähigung zum Hauer bescheinigt. Für die Bergmannsrente ist die Beklagte von dem Beruf des Hauers in der Gewinnung (Lohngruppe 11) ausgegangen und hat festgestellt, daß die Tätigkeit als Streckensicherungsarbeiter unfreiwillig aus gesundheitlichen Gründen ausgeführt worden ist.
Die Beklagte zog den Entlassungsbericht über die vom 4. November bis 16. Dezember 1993 in durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme bei. Hier ist die Diagnose eines lokalen Lumbalsyndroms mit Affektion der ISG rechts gestellt worden. Zum Leistungsvermögen des Klägers heißt es, daß dieser noch vollschichtig mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung verrichten könne. Ständige Drehbewegungen des Rumpfes, wie z.B. bei ständigen Schaufelarbeiten mit der damit verbundenen einseitigen Belastung der Wirbelsäule müßten vermieden werden.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag wegen BU durch Bescheid vom 13. September 1994 ab. Sie ging von dem Beruf des Hauers in der Gewinnung aus und vertrat die Auffassung, daß der Kläger noch verschiedene Verweisungstätigkeiten wie die eines Streckensicherungsarbeiters, Wettermeßhelfers usw ve...