Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Behandlung nach Dr Kozijavkin. Auslandsbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Versicherter muß grundsätzlich vor der Inanspruchnahme einer Behandlung in einem nicht der Europäischen Union angehörenden ausländischen Staat nach § 18 Abs 1 S 1 SGB 5 einen Leistungsantrag bei seiner Krankenkasse stellen.

2. Steht aufgrund einer bereits erfolgten Antragsablehnung im konkreten Fall des Versicherten von vornherein fest, daß ein zweiter Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat, so reicht für eine Kostenerstattung die nachträgliche Antragstellung.

3. Die Behandlung nach Dr Kozijavkin ist keine neue Behandlungsmethode iS des § 135 Abs 1 S 1 SGB 5, weil die angewandten wesentlichen Einzelleistungen des Gesamtbehandlungskonzepts entweder abrechnungsfähige Gebührenpositionen nach dem EBM-Ä oder den Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien sind oder diesen abrechenbaren Positionen verwandt sind.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für die Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Manualtherapie Dr. K in L in der U.

Der 1978 geborene Kläger ist freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Er wurde in der 28. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von 1.430 g geboren. Seitdem leidet er an cerebraler Bewegungsstörung im Sinne einer spastischen Tetraplegie mit einer massiven statomotorischen Retardierung. Er kann nicht selbständig gehen und stehen. Im Alter von 14 Jahren zeichneten sich äußerlich sichtbare Kontrakturen und eine negative Veränderung des Muskeltonus ab. Nach Angaben seines Vaters wurde er erst im Alter von 5 Jahren trocken; seine Sprache begann sich erst dann zu entwickeln. Mit einem Jahr Verzögerung konnte er eingeschult werden. Zur Zeit besucht er ein Gymnasium in privater Trägerschaft. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) vom 100; zu seinen Gunsten sind die Nachteilsausgleiche "AG", "H" und "RF" festgestellt. Er ist mit einem Rollstuhl versorgt und erhält Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegeklasse III.

Bereits als Säugling erhielt der Kläger krankengymnastische Behandlung nach der Methode V. Zwecks Abklärung von Therapiemöglichkeiten wurde er von verschiedenen Ärzten untersucht und behandelt, u. a. im Kinderzentrum B, vom Landesbehindertenarzt, im W -O -Institut in H (1980), im Kinderzentrum M (Prof. H /Dr. V, 1980), von dem Arzt für Kinderkrankheiten Dr. P (1981), der die neurophysiologische Therapie nach dem Frankfurter Modell anwandte, im A -St -H und in der Klinik für Manuelle Therapie in H. Während der gesamten Zeit erhielt der Kläger Krankengymnastik nach V und B.

Vom 29. November bis 11. Dezember 1993 wurde der Kläger von Dr. K in L in der Ukraine behandelt. Am 29. November 1993 beantragte er bei der Beklagten die Erstattung der von ihm hierfür bereits im voraus gezahlten Kosten. Am 3. Januar 1994 reichte er die Rechnung vom 15. Dezember 1993 über die Behandlungskosten in Höhe von 4.800,00 DM ein. Nach Einholung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN), der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G - D, vom 3. Januar 1994 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 5. Januar 1994 ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und überreichte die Bescheinigung des Arztes für Neurologie und Manualtherapie Dr. K vom 11. Dezember 1993. Daraufhin holte die Beklagte erneut ein Gutachten des MDKN ein, und zwar von der Ärztin für Neurologie und Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. W -V vom 28. Februar 1994.

Mit Schreiben vom 28. April 1994 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für eine weitere Behandlung bei Dr. K vom 28. März bis 9. April 1994 in Höhe von DM 8.874,00. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Mai 1994 ab. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1994 wies die Beklagte die Widersprüche zurück und führte zur Begründung insbesondere aus: Bei der beantragten Behandlung handele es sich um eine Therapie, deren Wirksamkeit nicht methodisch einwandfrei und nachvollziehbar sei. Es seien im übrigen in Deutschland zahlreiche therapeutische und rehabilitative Einrichtungen vorhanden, in denen die Krankheit des Klägers behandelt werden könne. Die Förderung dort sei so umfassend, daß die Notwendigkeit einer Behandlung im Ausland nicht bestehe. Die im Behandlungszentrum in der Ukraine angewandten Methoden seien im Ergebnis den in Deutschland anerkannten Behandlungskonzepten nicht überlegen.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Juni 1994 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Behandlung durch Dr. K entspreche dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Dr. K sei in seinem Heimatland ein sehr anerkannter Arzt. Nach der Rechtsprechung des BSG sei es nicht erheblich, ob es sich um eine allgemein anerkannte wissenschaftliche Heilmethode handele, wenn im Einzelfall eine andere Möglichkeit nicht zur Verf...

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