Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Studium. Auslandssemester
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Kindergeld nach § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 BKGG für eine an einer deutschen Universität immatrikulierten Studentin der Ethnologie, Romanistik und Literaturwissenschaften in der Zeit eines Volontariates bei einer argentinischen Zeitung bzw dem Studium in einer anderen Fachrichtung an der Universität in Buenos Aires.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die rückwirkende Aufhebung einer Kindergeldbewilligung sowie eine daraus hergeleitete Rückforderung des Beklagten.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 11. August 1993 unter anderem Kindergeld bis Oktober 1995 für die Tochter S., geboren 1970, die an der J.-G.-Universität in M. Ethnologie, Romanistik und Literaturwissenschaften studierte. Im Sommersemester 1994 war S. zwar immatrikuliert, sie hielt sich jedoch tatsächlich in Buenos Aires auf und leistete von April bis Anfang September 1994 ein Volontariat bei einer argentinischen Zeitung ab. Nachdem der Kläger dies im Juni 1994 mitgeteilt hatte, hob der Beklagte die Bewilligung des Kindergeldes mit Bescheid vom 1. August 1994 ab September 1994 auf. Seinen Widerspruch vom 25. August 1994 hat der Kläger dahingehend begründet, es sei keine wesentliche Änderung eingetreten, da seine Tochter weiterhin studiere. Nach Auskunft der Universität Mainz von Oktober 1994 und 28. November 1994 ist für das Studium der Ethnologie ein Praxissemester bzw Volontariat zwar nicht zwingend vorgesehen, die Universität sehe es jedoch gerne bzw dringe darauf, daß die Studenten solche Praktika absolvierten. Besonders in Bereichen wie Journalismus hätten sich Praktika als fördernd und geradezu unentbehrlich erwiesen. Mit Bescheid vom 3. Januar 1995 hob der Beklagte die Bewilligung des Kindergeldes für den Zeitraum April bis August 1994 auf und forderte den Kläger auf, bereits gezahltes Kindergeld in Höhe von 350 DM zu erstatten. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Befreiung von der Teilnahme an Vorlesungen sei auch bei fortdauernder Immatrikulation als Unterbrechung der Ausbildung anzusehen. S. habe sich während des Sommersemesters 1994 nicht überwiegend unmittelbar ihrem Studium gewidmet. Das Volontariat könne nicht anerkannt werden.
Seinen Widerspruch vom 2. Februar 1995 hat der Kläger dahingehend begründet, S. habe mit ausdrücklicher Empfehlung und Billigung der Hochschule von April bis Anfang September 1994 praxisnahe Studien in Buenos Aires betrieben. Das Sommersemester 1994 werde in vollem Umfang als Bestandteil des Studiums angerechnet. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 1995 zurück. Dagegen richtete sich die am 4. April 1995 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück eingegangene Klage. Der Kläger hat geltend gemacht, S. habe lediglich im Einvernehmen mit der Universität für drei Monate auf die Teilnahme an Lehrveranstaltungen verzichtet. Bei der Tätigkeit bei der Zeitung habe es sich um ein praxisorientiertes Studium der Ethnologie vor Ort gehandelt, dies sei nicht als Unterbrechung des Studiums anzusehen. Außerdem habe sie vom 7. April 1994 bis 17. August 1994 an der Universität in Buenos Aires als Gasthörerin spanische Sprachstudien betrieben, dies habe einem Vollstudium entsprochen.
Das SG Hannover hat mit Urteil vom 10. Dezember 1996 die Bescheide vom 1. August 1994 und 3. Januar 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 1995 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Monate April bis September 1994 Kindergeld für S. zu zahlen. Auch wenn das Studium der Ethnologie in Prüfungsordnungen geregelt sei, habe das Praktikum Ausbildungscharakter, da die Universität auf die Absolvierung solcher Praktika dringe. Außerdem bestünden für spätere Berufe zum Beispiel im Bereich des Journalismus vielfältige Zugangsmöglichkeiten, es müsse deshalb dem Studenten überlassen bleiben, welchen Ausbildungsweg er wähle und welchen Empfehlungen er folge.
Mit der am 31. Januar 1997 eingelegten Berufung macht der Beklagte geltend, im Rahmen des Hochschulstudiums werde ein Volontariat nicht gefordert. Sondermaßnahmen könnten kindergeldrechtlich nicht zur Ausbildung gezählt werden, weil sie für die spätere Berufsausbildung nicht unerläßlich seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Dezember 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er trägt vor, das Volontariat sei unabdingbar für die Ausübung späterer Berufe, seine Tochter beabsichtige, im Bereich des Journalismus tätig zu werden. S. habe für den praxisbezogenen Studienaufenthalt ein Stipendium vom Deutschen Akademischen Austauschdienst erhalten.
Der Senat hat die schriftliche Auskunft der Mitarbeiterin M.-V. der J.-G.-Universität M. vom 22.09.1998 eingeholt.
Hinsichtlich dieser Auskunft und der weiteren Einzelheite...