Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Zuordnung zur Leistungsgruppe. Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten. Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne. geringstmöglicher Lohnsteuerabzug

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerklassenwechsel ist zu berücksichtigen, wenn die neue Steuerklassenkombination zwar nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten entspricht, der Antragsteller aber rechtmäßig eine günstigere Steuerklasse wählen könnte, die zu einem höheren Leistungsbezug führen würde.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten ab dem 1. Juli 1999 höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach einem Steuerklassenwechsel. Statt der Bewilligung nach der Leistungsgruppe D, welche der Steuerklasse V entspricht, wünscht der Kläger Bewilligung nach der Steuerklasse IV, welche der höheren Leistungsgruppe A entspricht.

Der im März 1945 geborene Kläger steht seit längerem im Leistungsbezug der Beklagten. Im Jahre 1993 erwarb er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg); auf seiner Lohnsteuerkarte war zu Beginn dieses Jahres die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs erhielt der Kläger ab 27. Januar 1994 Alhi. Der Bewilligung lag regelmäßig die Leistungsgruppe A zugrunde, dem die Lohnsteuerklasse I entspricht. Aufgrund seiner Eheschließung im Jahr 1998 ließ der Kläger auf seiner Lohnsteuerkarte 1999 mit Wirkung ab 1. Januar 1999 die Lohnsteuerklasse V eintragen, ursprünglich enthielt die Lohnsteuerkarte die Steuerklasse I. Mit Wirkung ab 1. Juli 1999 ließ der Kläger die Eintragung in Lohnsteuerklasse IV ändern. Das Arbeitsverhältnis der Ehefrau des Klägers endete am 1. Juni 1999. Sie hatte zuletzt ein monatlich gleichbleibendes Bruttoarbeitsentgelt von 1.441,24 DM erzielt. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt des Klägers, welches er zuletzt vor seiner Arbeitslosigkeit erzielt hatte, betrug im Juli 1994 3.961,00 DM, im August 1994 4.678,00 DM. Das entsprach seinem im Jahre 1993 erzielten Entgelt (Juni 1993 = 3.835,69 DM).

Wegen der Änderung der Lohnsteuerklasse forderte die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 1999 Alhi in Höhe von 1.206,00 DM zurück, weil dem Kläger aufgrund des Steuerklassenwechsels die Leistung nur nach der Leistungsgruppe D zugestanden hätte, statt nach Leistungsgruppe A. Diesen Bescheid vom 7. Juni 1999 ließ der Kläger bestandskräftig werden. Für den neuen Bewilligungszeitraum ab 1. Juli 1999 überprüfte die Beklagte die Zweckmäßigkeit des Lohnsteuerklassenwechsels und gelangte zu der Ansicht, dass angesichts der Verdienste der Eheleute die Steuerklasse IV unzweckmäßig sei. Mit Bescheid vom 24. Juni 1999 teilte die Beklagte dem Kläger dieses Ergebnis mit und bewilligte ab 1. Juli 1999 Zahlungen nach der Leistungsgruppe D. Dies war bereits im Bewilligungsbescheid vom 25. Mai 1999 umgesetzt worden. Der Widerspruch des Klägers wegen der Zuordnung zur Leistungsgruppe D wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1999 als unbegründet zurückgewiesen. Der Lohnsteuerklassenwechsel sei nicht zweckmäßig gewesen. Nur die Steuerklassenkombination III für den Höherverdienenden und V für den Geringerverdienenden führe zum geringsten Lohnsteuerabzug, nicht die vom Kläger und seiner Ehefrau gewählte Steuerklassenkombination IV/IV. Deshalb sei der Steuerklassenwechsel nicht zu berücksichtigen gewesen. Daher müsse die Alhi unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse V gewährt werden, die vorher auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen gewesen sei.

Der Kläger hat am 2. August 1999 Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 17. Mai 2000 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alhi ab 1. Juli 1999 unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A zu gewähren. Der Wechsel von der Lohnsteuerklasse V in die Lohnsteuerklasse IV sei trotz der Bestimmung des § 137 Abs 4 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) beachtlich, auch wenn der Kläger aufgrund der Höhe seines früheren Einkommens im Vergleich zu der Höhe des Einkommens der Ehefrau nicht nur die Lohnsteuerklasse IV, sondern die Lohnsteuerklasse III und damit Alhi in Leistungsgruppe C hätte erlangen können. Die genannte Vorschrift wolle verhindern, dass Arbeitslose ihre Steuerklasse wechseln, um, unabhängig von einem früheren Verdienst, durch Wechsel der Lohnsteuerklasse höhere Sozialleistungen zu erhalten. Dieser Vorwurf könne dem Kläger nicht gemacht werden. Er habe die Lohnsteuerklasse IV gewählt, um den Anspruch wie vor der Eheschließung beizubehalten. Im Übrigen hätte der Kläger leistungsrechtlich unbeanstandet die Lohnsteuerklasse III eintragen lassen können und damit Anspruch auf höhere Alhi nach Leistungsgruppe C gehabt. Eine entsprechende Beratung hätte durch die Beklagte stattfinden müssen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 2. Juni 2000 zugestellt.

Die Beklagte hat am 30. Juni 2000 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass aufgrund der Regelung des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III der hier zum 1. Juli 1999 vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel unbeachtl...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge