Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Prävention. Anordnung. Durchführung von Unfallverhütungsvorschriften
Leitsatz (amtlich)
1. Die zuständige Berufsgenossenschaft - BG - kann aufgrund ihrer Unfallverhütungsvorschriften - UVV - (§§ 26 Abs 1, 25 Abs 1 VBG 68) von einem Unternehmer gewerblicher Geldtransporte grundsätzlich verlangen, daß er besonders gesicherte Fahrzeuge einsetzt und daß die Geldtransporte durch Boten in öffentlich zugänglichen Bereichen von mindestens zwei Personen durchgeführt werden, von denen eine die Sicherung übernimmt.
2. Zur Frage der erforderlichen Bestimmtheit von UVV sowie zur Auslegung der Ausnahmevorschriften der §§ 26 Abs 2, 25 Abs 2 VBG 68.
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung der Beklagten zur Durchführung von Unfallverhütungsvorschriften (UVVen).
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Wert- und Sicherheitstransporte, Revisionsdienstleistungen und weitere Sonderleistungen im Sicherheitsgewerbe durchführt. Im August 1994 erhielt die Beklagte von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Kenntnis davon, daß die Klägerin u.a. Geldtransporte durchführe, ohne hierbei gepanzerte Fahrzeuge einzusetzen (Vermerk der Beklagten vom 12. August 1994). Nach verschiedenen ergebnislos verlaufenen mündlichen Unterredungen mit dem Geschäftsführer der Klägerin wies sie diese mit Schreiben vom 2. November 1994 darauf hin, daß der von ihr praktizierte gewerbliche Geldtransport in nicht besonders gesicherten Geldtransportfahrzeugen gegen § 26 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Wach- und Sicherungsdienste" (VBG 68) verstoße und nach § 28 VGB 68 eine Ordnungswidrigkeit darstelle. Ausnahmen gebe es nur für den Transport von Hartgeld oder von Beträgen in geringem Umfang, sofern die Bauart des Fahrzeugs, seine Beschriftung, die Ausrüstung des Personals sowie Transportablauf bzw. -abwicklung nicht erkennen ließen, daß Geld transportiert werde. Sie bitte daher, entsprechende Transporte zukünftig nur noch in besonders gesicherten (gepanzerten) Geldtransportfahrzeugen durchzuführen.
Mit Schreiben vom 16. November 1994 teilte der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten mit, das Unternehmen erfülle die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 26 Abs. 2 VBG 68. Ihre Transporte würden in handelsüblichen, verschiedenfarbigen und unbeschrifteten Kraftfahrzeugen (Kfz) durchgeführt. Diese Fahrzeuge seien neben zusätzlich von ihren Versicherern aufgestellten Forderungen mit zwei Kommunikationssystemen ausgerüstet. Die Mitarbeiter trügen normale geschäftsmäßige Bekleidung. Die Fahrtstrecken würden ständig und unregelmäßig verändert. Es gebe keine festgelegten Anfahrtszeiten. Die Mitarbeiter bekämen in unregelmäßigen Abständen andere Fahrtrouten und Entsorgungsstellen. Im übrigen könne der Ausnahmevorschrift des § 26 Abs. 2 VBG 68 nicht entnommen werden, daß in ungepanzerten Fahrzeugen nur Geld in geringen Mengen transportiert werden dürfe.
Nach weiteren ergebnislos gebliebenen Verhandlungen mit der Klägerin erteilte ihr die Beklagte den Bescheid vom 16. Januar 1995. Hierin beanstandete sie, daß die Geldtransporte entgegen § 26 Abs. 1 VBG 68 nicht mit hierfür besonders gesicherten Fahrzeugen (Geldtransportfahrzeugen) durchgeführt würden, obwohl nicht ausgeschlossen sei, daß diese aufgrund des Transportverlaufs und der Transportabwicklung von Außenstehenden als Geldtransporte erkannt würden. Des weiteren rügte sie, daß Geldtransporte durch Boten in öffentlich zugänglichen Bereichen in Abweichung zu den Bestimmungen des § 25 Abse. 1, 2 VBG 68 nur von einer statt -- wie erforderlich -- von zwei Personen durchgeführt würden, obwohl der Transport als Geldtransport erkennbar sei. Schließlich beanstandete die Beklagte, daß für den Geldtransport durch Boten technische Ausrüstungen verwendet würden, die für Außenstehende nicht deutlich erkennbar seien und deshalb den Anreiz zu Überfällen nicht nachhaltig verringerten. Es fehle bei dem verwendeten SAT-Koffer die auffällige orange-rote Kennzeichnung. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, diese Mängel unverzüglich zu beseitigen und die Erledigung bis zum 28. Februar 1995 schriftlich zu bestätigen. Den hiergegen mit Schreiben vom 3. Februar 1995, eingegangen am 8. Februar 1995, erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1995 zurück.
Mit ihrer am 15. März 1995 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie verstoße nicht gegen die UVVen der VBG 68. Sie sei nicht verpflichtet, gemäß § 26 Abs. 1 VBG 68 bei Geldtransporten hierfür besonders gesicherte Fahrzeuge zu verwenden, da sie ihre Transporte ausschließlich nach § 26 Abs. 2 VBG 68 durchführe. Durch die besonders detaillierte Abwicklungsplanung der Sicherheitstransporte sei ihr Charakter für Außenstehende nicht erkennbar. Auch brauche sie bei Geldtransporten durch Boten in öffentlich zugänglichen Bereichen nicht mindestens zwei Personen einzusetzen, da auch insoweit ihre...