Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiwillige Krankenversicherung. Beitrittserklärung. Betreuungsverhältnis. Teil der Vermögenssorge. wirksame Beitrittserklärung. Einwilligung des Betreuers. Fristversäumnis. Wiedereinsetzung
Orientierungssatz
1. Beitrittserklärungen zur freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 9 Abs 2 Nr 2 SGB 5 sind Teil der Vermögenssorge (vgl BGH vom 4.6.1980 - IVb ZR 514/80 = BGHZ 77, 224); der Betreuer hat eine entsprechende Willenserklärung als gesetzlicher Vertreter für den Antragsteller abzugeben.
2. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zum Beitritt zur freiwilligen Mitgliedschaft.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob für den Kläger nach Beendigung der Familienversicherung wirksam eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten begründet wurde.
Der 1952 geborene Kläger war über seine Ehefrau bei der Beklagten familienversichert. Die Ehe wurde mit Urteil des Amtsgerichts G -- Familiengericht -- vom 28. August 1996 geschieden. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4. September 1996 zugegangen. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass das Urteil seit dem 4. Oktober 1996 rechtskräftig ist. Zu diesem Zeitpunkt endete unstreitig die Familienversicherung des Klägers.
Mit Urkunde vom 27. Juni 1996 bestellte das Amtsgericht G Herrn E Z zum Betreuer des Klägers. In der Bestellungsurkunde heißt es wie folgt:
"Der Aufgabenkreis umfasst:
die Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung, die Vermögenssorge.
Folgende Willenserklärungen des Betroffenen bedürfen der Einwilligung des Betreuers: betreffend Vermögenssorge."
Die Betreuung erfolgte auf Grund einer seit Jahren bestehenden chronisch-schizoaffektiven Psychose. Die Erkrankung äußere sich nach Angaben des Betreuers im Verwaltungsverfahren darin, dass der Kläger Ereignisse oder Erlebnisse, die sich tatsächlich anders oder nur in seiner Fantasie ereignet haben, als tatsächlich existent begreift.
Mit Schreiben vom 9. Februar 1997, eingegangen bei der Beklagten am 11. Februar 1997, übersandte der Betreuer den Antrag des Klägers auf freiwillige Versicherung. In seinem Schreiben führte der Betreuer aus: Aus den Verlaufsprotokollen für das Vormundschaftsgericht sei zu entnehmen, dass der Kläger von ihm am 21. September 1996 aufgefordert worden sei, sich bei der Beklagten zu melden und einen Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft zu stellen. Am 8. Oktober 1996 habe der Kläger ihm berichtet, er sei bei der Beklagten gewesen, um den Antrag zu stellen. Demnächst würde er eine neue Chip-Karte bekommen. Bei dem Hausbesuch am 26. November 1996 habe der Kläger ihm eine Chip-Karte gezeigt. Bei einem Klinikaufenthalt im Februar 1997 habe sich herausgestellt, dass es sich um die ungültige Chip-Karte des Klägers aus seiner Familienversicherung gehandelt habe. Er bat um Überprüfung des Vorganges und beantragte, falls eine Frist versäumt sei, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit dem Antrag übersandte er der Beklagten das Scheidungsurteil sowie die Abtretungserklärung des Klägers, die wie folgt lautet:
"Abtretungserklärung
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Beitrag vom Sozialamt an die Barmer Ersatzkasse abgeführt wird.
G, 11. Februar 1997" und es folgt die Unterschrift des Betreuers.
Mit Bescheid vom 14. Juli 1997 lehnte die Beklagte den Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft ab. Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1997 zurück. Der Kläger habe die Frist für den Beitritt zur Beklagten gem § 9 Abs 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch -- Fünftes Buch -- (SGB V) versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Frist könne nicht gewährt werden. Der Betreuer des Klägers habe die Sorgfalt außer Acht gelassen, die für einen gewissenhaft und sachgemäß Handelnden geboten und ihm nach den Gesamtumständen zuzumuten gewesen wäre.
Hiergegen hat der Kläger am 12. November 1997 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Ein Verschulden des Betreuers bei der Fristversäumnis habe nicht vorgelegen. Der Aufgabenkreis der Vermögenssorge beinhalte nicht die Aufgabe des Betreuers Anträge zur Weiterversicherung in der freiwilligen Krankenversicherung zu stellen. Das Sozialgericht Kassel hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 5. Februar 1998 an das Sozialgericht Hildesheim verwiesen. Das SG Hildesheim hat mit Urteil vom 28. Mai 1999 den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1997 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 5. Oktober 1996 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Betreuer des Klägers gemäß § 1902 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb der ihm übertragenen Aufgabenkreise zur gerichtlichen Vertretung des Betreuten befugt sei. Die dem Betreuer für den Kläger übertragene Vermögenssorge umfasse die Vertretungsbefugnis sowohl in...