Entscheidungsstichwort (Thema)
Uneingeschränkte Anwendung des § 44 Abs 1 SGB 10. Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit. ständige Rechtsprechung iS von § 152 Abs 1 AFG nF. Anwartschaft auf Arbeitslosengeld. gleichzeitiger Bezug von Erziehungsgeld und Arbeitslosenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Eine ständige Rechtsprechung im Sinne des § 152 Abs 1 AFG in der ab 1.Januar 1994 gültigen Fassung liegt bei der Zuständigkeit mehrerer Senate des BSG erst bei wiederholten übereinstimmenden Entscheidungen vor.
Orientierungssatz
Der Bezug von Erziehungsgeld verliert durch den gleichzeitigen Bezug von Arbeitslosenhilfe nicht die anwartschaftsbegründende Wirkung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (vgl BSG vom 3.8.1995 - 7 RAr 62/94 = SozR 3-4100 § 107 Nr 9).
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Wege eines Zugunstenbescheides die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) anstelle von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 9. März 1993 bis zum 5. Januar 1994.
Die 1959 geborene Klägerin erhielt anläßlich des am 9. September 1991 geborenen Sohnes ... vom 10. Juli 1991 bis zum 4. November 1991 Mutterschaftsgeld und vom 9. Oktober 1991 bis zum 8. März 1993 Erziehungsgeld. Gleichzeitig stand sie vom 15. November 1991 bis zum 31. März 1995 bei der Beklagten im laufenden Bezug von Alhi. Diese betrug ab Januar 1993 DM 424,80 wöchentlich (Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 1993 und vom 16. April 1993), ab 1. Juli 1993 DM 393,60 (Bescheid vom 5. Juli 1993), ab 4. September 1993 DM 373,20 wöchentlich (Bescheid vom 3. September 1993) und ab 1. Januar 1994 DM 360,60 wöchentlich (Bescheid vom 12. Januar 1994).
Mit Schreiben vom 24. Februar 1997 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. August 1995 -- 7 RAr 62/94 -- die Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen ab 9. März 1993 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und die Umwandlung der bezogenen Alhi in einen Anspruch auf Alg. Dieses Begehren lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 1997 ab. Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1997 zurückgewiesen. Darin führte die Beklagte aus, gemäß § 152 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der ab 01.01.1994 gültigen Fassung sei ein rechtswidriger Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen, wenn dieser auf einer Rechtsnorm beruhe, die nach Erlaß des Verwaltungsaktes in ständiger Rechtsprechung anderes als durch die Bundesanstalt für Arbeit ausgelegt worden sei. Nach dem Urteil des BSG vom 3. August 1995 habe die Klägerin kein Erziehungsgeld neben der Gewährung von Alhi bezogen und damit keine anwartschaftsbegründende Zeit für Alg zurückgelegt.
Mit der am 28. Oktober 1997 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, das Urteil des BSG habe keine neue Rechtslage hergestellt, sondern eine bereits bestehende geklärt. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes vom 13. Januar 1993 (Bewilligung ab Januar 1993) sei noch keine ständige Rechtsprechung entstanden. Die Praxis des Arbeitsamtes entstamme aus einer zu der Zeit noch ungeprüften und nicht im Widerspruch stehenden Rechtsauslegung. Danach habe die Beklagte ihre Rechtsauslegung diesem Urteil angepaßt und keinen Widerspruch aufkommen lassen.
Das Sozialgericht (SG) ... hat durch Gerichtsbescheid vom 6. November 1998 die Klage abgewiesen. Zweck des § 152 Abs 1 AFG sei es, die Neuabwicklung von Leistungsfällen für die Vergangenheit, für die Zeit vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder der Rechtsprechung des BSG zu vermeiden. Ein solcher Regelungsbedarf sei von vorne herein nicht gegeben, wenn eine Entscheidung der Beklagten bereits zum Zeitpunkt des Erlasses in Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG stehe. Gegen diesen am 25. November 1998 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 23. Dezember 1998.
Die Klägerin trägt vor, aus dem Umkehrschluß des § 152 Abs 1 AFG müsse gelten, daß die umfassendere Regelung des § 44 SGB X uneingeschränkt Anwendung finde, wenn zur Zeit des Erlasses des rechtswidrigen Verwaltungsaktes eine von der ständigen Rechtsprechung und von der Beklagten gemeinsam geteilten Rechtsauffassung bestanden habe. Sie könne nicht verstehen, warum eine Rücknahme der rechtswidrigen Entscheidung möglich sein soll, wenn sie nur den Überprüfungsantrag vor dem Urteil des BSG vom 3. August 1995 gestellt hätte. Dadurch werde eine jahrelang rechtswidrige Praxis der Arbeitsämter nachträglich geheilt.
Die Klägerin beantragt,
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1. |
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ... vom 6. November 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 10. April 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1997 aufzuheben, |
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2. |
die Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 13. Januar, 16. April, 5. Juli, 3. September 1993 und 12. Januar 1994 für die Zeit vom 9. März 1993 bis z... |