Verfahrensgang
SG Hildesheim (Urteil vom 30.11.1994; Aktenzeichen S 7 VI 52/92) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 30. November 1994 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Impfschaden erlitten hat und ihm deshalb ein Versorgungsanspruch gegen den Beklagten zusteht (§§ 51, 52 Bundesseuchengesetz – BSeuchG –).
Am 10. September 1984 quetschte sich der 1928 geborene Kläger bei seiner Tätigkeit als Paketzusteller die Kuppe seines linken Zeigefingers. Er erhielt in diesem Zusammenhang am 10. September und 15. Oktober 1984 je eine Auffrischungsimpfung gegen Wundstarrkrampf durch Injektion von 0,5 ml Tetanol. Am 4. Oktober 1984 empfand der Kläger starke Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen und klagte ab 15. Oktober 1984 über eine andauernde Gangstörung. Er befand sich deswegen in fortlaufender ärztlicher Behandlung.
Mit Schreiben vom 28. November 1988 machte der Kläger geltend, durch die beiden Tetanusimpfungen am 10. September und 15. Oktober 1984 einen Impfschaden in der Form einer Polyneuropathie mit Gangstörung erlitten zu haben. Der Beklagte zog Unterlagen über die erfolgten ärztlichen Behandlungen bei, darunter einen Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 6. Mai 1985 über eine stationäre Behandlung des Klägers in der Klinik I. vom 14. März bis 12. April 1985. Dr. J. teilte darin als Diagnosen eine psychogene Gangstörung und eine blande Polyneuropathie bei latentem Diabetes mellitus mit. Der Beklagte holte ein Gutachten des Arztes für Impfwesen Prof. Dr. K. vom 12. Mai 1989 mit Ergänzung vom 2. Januar 1990 sowie ein allergologisches Gutachten des Prof. Dr. L. vom 9. August 1989 ein. Mit Bescheid vom 13. Februar 1990 lehnte der Beklagte sodann eine Beschädigtenversorgung ab, weil nach den Gutachten des Prof. Dr. K. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Tetanusimpfungen und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht festzustellen sei. Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. M. vom Zentrum für Hygiene und Humangenetik der Universitätsklinik N. vom 17. Dezember 1991 vor, in der dieser die Auffassung vertrat, dass die im März 1985 erstmals objektivierte Polyneuropathie ätiologisch auf die Tetanusschutzimpfung zurückzuführen sei. Demgegenüber hielt Prof. Dr. K. in zwei weiteren Stellungnahmen vom 25. Februar und 30. Februar 1992 unter Hinweis auf das ungewöhnlich lange zeitliche Intervall zwischen der ersten Impfung und dem Auftreten der Beschwerden an seiner Auffassung fest. Der Beklagte schloss sich erneut der Bewertung durch Prof. Dr. K. an und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 1992 zurück.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Hildesheim ein Gutachten des Neurologen Prof. Dr. O. vom 2. August 1993 eingeholt. Der Sachverständige hat eine schwere neurotische Fehlentwicklung in Form einer psychogenen Gangstörung diagnostiziert, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der erfolgten Schutzimpfung stehe. Daneben hätten sich diskrete Hinweise auf eine blande, sensorische Polyneuropathie gefunden, die am ehesten auf eine gestörte Glukosetoleranz zurückzuführen sei. Demgegenüber hat Prof. Dr. M. in einer weiteren Stellungnahme vom 20. Juli 1994 darauf hingewiesen, dass Polyneuropathien durch Tetanusschutzimpfungen verursacht werden könnten. Da sich im Frühjahr 1985 klinisch das Bild einer schon länger bestehenden Polyneuropathie gezeigt habe, sei ein zeitlicher Zusammenhang mit den Impfungen zu bejahen und deshalb ein ursächlicher Zusammenhang anzuerkennen.
Mit Urteil vom 30. November 1994 hat das SG Hildesheim den ablehnenden Bescheid des Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die beim Kläger bestehende Polyneuropathie Folge der stattgehabten Tetanusimpfung sei. Es hat den Beklagten ferner verurteilt, dem Kläger ab 1. November 1988 Beschädigtenversorgung nach dem BSeuchG zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, dass nach der Stellungnahme des Prof. Dr. M. davon auszugehen sei, dass die Tetanusschutzimpfungen mit Wahrscheinlichkeit zu der festgestellten Polyneuropathie geführt hätten.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 20. Januar 1995 zugestellte Urteil am 15. Februar 1995 beim Landesozialgericht (LSG) Niedersachsen Berufung eingelegt (Az.: L 9 Vi 2/95). Der seinerzeit zuständige 9. Senat des LSG Niedersachsen hat zunächst ein Gutachten der Ärztin Dr. P. vom 7. August 1995 eingeholt. Nachdem der Kläger diese Sachverständige im Hinblick auf deren langjährige Berufstätigkeit bei dem Hersteller des hier verwandten Impfstoffes wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte, hat das LSG das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 14. März 19...