Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Auflage. Frage nach Schwangerschaft. Diskriminierungsverbot

 

Orientierungssatz

1. Gegenstand einer Auflage iS des Art 1 § 2 Abs 2 AÜG kann nicht eine Pflicht sein, deren Erfüllung unmittelbar vom Gesetz erwartet und vorausgesetzt wird. Daher sind Bestimmungen, die auf bestehende gesetzliche Verpflichtungen hinweisen oder sie lediglich wiederholen, nicht als Inhalt von Auflagen zulässig (vgl BSG vom 19.3.1992 - 7 RAr 34/91 = SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 1).

2. Eine Auflage, die dem Verleiher die Frage nach einer Schwangerschaft verbietet, ist rechtmäßig. Diese Frage verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a BGB.

3. Vor dem Vertragsabschluß enthält die Frage nach einer Schwangerschaft der Bewerberin regelmäßig eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts, da sie auf die Nichteinstellung einer schwangeren Bewerberin zielt und somit spezifisch die Einstellungschancen von Frauen vermindert (vgl BAG vom 15.10.1992 - 2 AZR 227/92 = NZA 1993, 257).

 

Tatbestand

Die Klägerin verleiht gewerbsmäßig Leiharbeitnehmer an Dritte. Die ihr dafür von der Beklagten erteilte Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist mit mehreren Auflagen versehen worden, welche die Klägerin bekämpft.

Mit Erstantrag vom 10. August 1992 begehrte die Klägerin die Erteilung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Diese wurde mit Bescheid vom 4. November 1992 für die Dauer eines Jahres erteilt und sodann - auf die jeweiligen Anträge der Klägerin - bis heute jährlich erneuert.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 1994 wurde die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis zum 11. November 1995 verlängert. Die Beklagte ergänzte diese Erlaubnis zunächst durch einen Auflagenbescheid vom 19. Mai 1995, der durch den Auflagenbescheid vom 23. August 1995 aufgehoben und ersetzt wurde. Dieser Auflagenbescheid bezog sich auf das von der Klägerin verwandte Arbeitsvertragsmuster für ihre Leiharbeitnehmer vom 15. Juli 1993, welches später durch ein Arbeitsvertragsmuster vom 1. September 1995 ersetzt wurde, welches noch Gegenstand des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1995 wurde.

In dem Auflagenbescheid wurden mehrere Paragraphen des Arbeitsvertragsmusters beanstandet. Die Auflagen des Auflagenbescheides vom 23. August 1995 lauten folgendermaßen:

1.      Die vollständige Anschrift des Hauptsitzes des Verleihers muß bei der

Benennung der vertragschließenden Parteien angegeben werden - § 11 Abs 1 Nr 1 AÜG -.

2.      Die in § 3 des Vertrages aufgeführten Kündigungsfristen treffen nicht

zu (diese Auflage wurde im Widerspruchsbescheid vom 22. September 1995 aufgegeben).

3.      Unter Berücksichtigung des Gesetzes über den Nachweis der für ein

Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz - NachwG -) vom 20. Juli 1995 - Bundesgesetzblatt (BGBl) I S 946 - ist noch folgende Ergänzung vorzunehmen:

Das Entgelt in § 4 des Arbeitsvertrages muß die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts enthalten.

4.      Nach § 11/2 des Vertrages muß der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung

täglich um 9.30 Uhr und 16.00 Uhr anbieten (diese Auflage wurde im Widerspruchsbescheid vom 22. September 1995 aufgegeben).

5.      Die Frage in § 21/2 nach einer Schwangerschaft verstößt in der Regel

gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und das Grundsatzurteil des BAG vom 15. Oktober 1992 - 2 AZR 227/92 -.

6.      § 25 regelt die Vertragsstrafe. Um Nachteile für den LAN

(Leiharbeitnehmer) auszuschließen, sind gesetzliche Bestimmungen zu beachten:

a)

Nach § 394 BGB kann gegen den unpfändbaren Teil der Lohnforderung nicht aufgerechnet werden.

b)

§ 850a bis c Zivilprozeßordnung (ZPO) bestimmt die Pfändungsfreigrenze.

c)

§ 119a Gewerbeordnung beinhaltet, daß Lohneinbehaltungen wegen widerrechtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei den einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes im Gesamtbetrag den Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen darf.

Die grundsätzliche und ausschließliche Forderung einer Vertragsstrafe von Bruttotagesverdiensten sollte so nicht bestehen bleiben. § 25 des Vertrages könnte ergänzend wie folgt abgefaßt werden: Bei der Bemessung der Vertragsstrafe werden die Bestimmungen der Gewerbeordnung - § 119a, § 394 BGB sowie § 850a bis c ZPO - beachtet.

7.      § 11 Abs 2 AÜG verpflichtet den Verleiher, auch die Urkunde bzw den

Arbeitsvertrag in der jeweiligen Muttersprache auszuhändigen. Dieser Hinweis fehlt in dem Arbeitsvertrag, er ist daher mit aufzunehmen.

Es werde von der Auflage Gebrauch gemacht, weil diese für den Verleiher der weniger belastende und günstigere Weg sei, ein bestimmtes Tun zu erreichen, als von der Möglichkeit der Versagung der Verleiherlaubnis Gebrauch zu machen.

Auf den dagegen eingelegten Widerspruch entschied die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Septemb...

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