Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Bildung des Gesamt-GdB. Bindung des Versorgungsamtes an anderweitige Feststellungen
Orientierungssatz
Die Vorschrift des § 4 Abs 2 SchwbG soll einen doppelten Verwaltungsaufwand lediglich für die Wiederholung einer bereits erfolgten Feststellung entbehrlich machen. Muß aber das Versorgungsamt wegen des glaubhaft gemachten Interesses des Behinderten ohnehin tätig werden und eine verbindliche Feststellung treffen, so liegt ein Grund für eine Bindung des Versorgungsamtes an die anderweitige Feststellung nicht vor.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten inzwischen nur noch darüber, ob bei dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) im Sinn des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) von mehr als 40 für die Zeit vor dem 24. April 1994 bzw. 50 für die Zeit danach vorliegt.
Nach einem im Februar 1992 erlittenen Verkehrsunfall beantragte der Kläger erstmals im April 1995, Feststellungen nach dem SchwbG zu treffen. Hierzu legte er Berichte und Gutachten vor, die in Zusammenhang mit der Behandlung und Feststellung der Unfallfolgen erstellt worden waren. Nach Auswertung der Gutachten und versorgungsärztlicher Stellungnahme stellte der Beklagte mit Bescheid vom 26. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1996 bei dem Kläger einen GdB von 30 wegen der Funktionsstörungen.
1. Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule
2. Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks
3. Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke
4. Lungenventilationsstörung, Nasenscheidewandverbiegung nach links
fest. Zugleich anerkannte der Beklagte das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit und stellte dem Kläger eine ab dem Kalenderjahr 1992 gültige Bescheinigung hierüber aus.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stade erhoben und die Feststellung eines GdB von 60 begehrt. Der Beklagte habe nicht alle Unfallfolgen berücksichtigt und die Funktionsstörungen auch nicht ausreichend bewertet.
Nach Beiziehung eines Befundberichtes des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. F durch das Sozialgericht und nach Vorlage weitergehender medizinischer Unterlagen durch den Kläger hat der Beklagte bei dem Kläger einen GdB von 40 seit April 1995 wegen der Funktionsstörungen
1. Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule
2. Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks
3. Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke
4. Nasenscheidewandverbiegung nach links
5. Einschränkung der Atemfunktion bei Knorpelveränderungen im Bereich der Rippen und Zustand nach Zwerchfellbruch
6. Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenkes mit Bandinstabilität
festgestellt (Ausführungsbescheid vom 27. Januar 1997). Mit Schriftsatz vom 29. Mai 1997 hat der Beklagte das Teilanerkenntnis dahingehend erweitert, daß die Feststellungen bereits seit Februar 1992 Gültigkeit haben.
Das Sozialgericht hat von dem Arzt für Sozialmedizin Dr. M ein Gutachten nach Aktenlage erstellen lassen und den Sachverständigen im Termin am 18. Dezember 1997 gehört. Der Sachverständige hat in dem schriftlichen Gutachten vom 23. November 1997 abweichend von der Einschätzung des Beklagten den Einzel-GdB für die Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke mit 20 angenommen und einen Gesamt-GdB von 50 gebildet. Aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 24. März 1998 hat der Sachverständige mit Stellungnahme vom selben Tag den Einzel-GdB für die Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke unter Einbeziehung der Funktionsstörung des Knies mit 20 bemessen, zusätzlich eine mit einem Einzel-GdB von 20 bemessene Heiserkeit festgestellt und den Gesamt-GdB auf 60 eingeschätzt.
Mit Urteil vom 3. September 1998 hat des Sozialgericht den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger unter zusätzlicher Berücksichtigung der "Stimmstörung bei dauernder Heiserkeit" einen GdB von 60 festzustellen. Es hat sich hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen desjenigen des Dr. M angeschlossen. Ausgehend von der Funktionsstörung mit dem höchsten Einzel-GdB sei der Gesamt-GdB für jede auf einem anderen Gebiet liegende Funktionsstörung mit einem Einzel-GdB von mindestens 20 um den Wert von 10 zu erhöhen.
Gegen das ihm am 3. November 1998 zugestellte Urteil wendet sich die vorliegende am 1. Dezember 1998 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung des Beklagten. Das Verwaltungsgericht Stade hat mit -- inzwischen rechtskräftigem -- Urteil vom 22. Dezember 1999 die Oberfinanzdirektion H verurteilt, wegen der Folgen des Dienstunfalles eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. seit dem 24. April 1994 festzustellen. Mit Beschluß vom 21. März 2000 hat das Verwaltungsgericht den Tenor des Urteils dahingehend berichtigt, daß die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 v.H. ab dem 24. April 1993 zu erfolgen hat. Nach Vorlage des Urteils durch den Kläger hat der Beklagte mit weiterem Schriftsatz vom 26. April 2000 sich bereit erklärt, den GdB ab dem 24. April 1994 mit 50 zu bewerten.
Er hält dieses Teilan...