Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Pflegebedürftigkeit. Kind. Muk &;- Verrichtungskatalog. Verfassungsmäßigkeit) 7551
Leitsatz (amtlich)
Maßnahmen der einfachen Behandlungspflege bei an Mucoviszidose leidenden Kindern, wie zB das Inhalieren, das Abklopfen des Thorax, die Überwachung der Aufnahme hochkalorischer Nahrung und von Medikamenten sind bei der Ermittlung des Grundpflegebedarfs gemäß § 14 Abs 4 Ziff 1-3 SGB 11 nicht berücksichtigungsfähig.
Orientierungssatz
1. Vor dem Maßstab des Art 3 Abs 1 GG ist der Gesetzgeber gehalten, die Abgrenzung des Versicherungsumfangs nicht willkürlich, sondern nach sachgerechten Gesichtspunkten vorzunehmen.
2. Mit der Begrenzung in § 14 Abs 4 SGB 11 war dem Gesetzgeber daran gelegen, den berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf auf solche Verrichtungen zu beschränken, die auch ein Gesunder täglich vornehmen muß, um in seinem Haushalt bzw seiner Familie zu leben und zu wohnen, mit der Familie bzw Nachbarn zu verkehren und die notwendigen Besorgungen tätigen zu können (vgl BSG vom 30.9.1993 - 4 RK 1/92 = SozR 3-2500 § 53 SGB 5 Nr 4).
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Pflegegeld.
Der im April 1987 geborene Kläger stellte unter dem 20. April bzw 5. Mai 1995 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Die Beklagte veranlaßte daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Niedersachsen (MDKN). Dr B. gab in seinem Gutachten vom 16. August 1995 als pflegebegründende Diagnose bei dem Kläger eine Erkrankung an Mucoviszidose an. Der Allgemeinzustand des Klägers sei als mäßig zu bezeichnen, während funktionelle Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates, der Sinnesorgane, des zentralen Nervensystems und der Psyche nicht zu verzeichnen seien. Bezüglich der inneren Organe sei von mäßigen Einschränkungen auszugehen. Zum Hilfebedarf führte Dr B. aus, daß der Kläger bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung etwa ein- bis zweimal täglich und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, insbesondere bei der Begleitung zum Schulbus Hilfe benötige. Im übrigen liege der Schwerpunkt des Hilfebedarfs des Klägers im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Dr B. gelangte zu dem Ergebnis, daß bei dem Kläger Pflegebedürftigkeit nicht vorliege. Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung von Pflegegeld mit Bescheid vom 7. September 1995 mit der Begründung ab, ein erheblicher Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege bestehe bei dem Kläger nicht.
Mit seinem am 6. Oktober 1995 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch legte der Kläger Empfehlungen zur Festlegung der Pflegebedürftigkeit gemäß § 17 SGB XI iVm § 213 SGB V von Prof Dr v d H. vom Januar 1995 vor. Der Vater des Klägers machte darüber hinaus geltend, daß die Hilfe bei und die Überwachung der autogenen Drainage einmal täglich mit 30 Min, die Überwachung der Inhalation zur Schleimverflüssigung, die Überwachung der Inhalation wegen allergischer bronchopulmonaler Aspergillose, die Hilfe und Überwachung beim Atmen zur Sekretlösung mit dem Flutter täglich mit etwa 70 Min, der Zeitaufwand für die Montage, die Reinigung und Desinfektion der Inhalationsgeräte und der Flutter mit 40 Min, die Hilfe und Überwachung bei der Gymnastik und die Pflegetätigkeit durch Abklopf- und Lagerungsdrainage mit 30 Min, die Hilfe bei der Störung der Nachtruhe durch Husten, Schleimbildung, usw dreimal im Monat mit etwa 10 Min zu Buche schlügen. Ferner seien für das mundgerechte Zubereiten der Nahrung und die Überwachung der Nahrungsaufnahme bei fünf Mahlzeiten täglich 30 Min zu veranschlagen. Ferner benötige der Kläger Hilfe bei der Überwachung der Medikamentenaufnahme von insgesamt 35 Min. Unter Berücksichtigung der zusätzlich erforderlichen Pflegetätigkeit im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung werde ein Zeitaufwand von täglich 255 Min erreicht.
Die Beklagte legte daraufhin den Vorgang noch einmal dem MDKN vor. Die Pflegefachkraft Frau F. suchte den Kläger am 8. Januar 1996 erneut auf. Der Kläger sei in mäßigem Allgemeinzustand, sehr blaß und etwas zierlich für sein Alter. Im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates, der inneren Organe und des zentralen Nervensystems und der Psyche seien mäßige Einschränkungen zu verzeichnen. Die Sinnesorgane seien ohne Befund. Zu der Frage der Hilfebedürftigkeit im einzelnen führte die Pflegefachkraft aus, daß ein Hilfebedarf bei dem Kläger insoweit nicht bestehe. Bei dem Kläger sei aber die Pflegestufe I zuzuerkennen, weil bei der Art der Erkrankung des Klägers pflegeunterstützende Maßnahmen bei der Ermittlung des Hilfebedarfs zu berücksichtigen seien. Der Gutachter Dr B. führte demgegenüber in seiner Stellungnahme nach Lage der Akten vom 28. Februar 1996 aus, daß auch unter Berücksichtigung der Richtlinien des Prof Dr von der Hardt und der Feststellungen der Pflegefachkraft Frau F. in ihrem Gutachten vom 10. Januar 1996 ein erheblicher Pflegebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege nicht a...