Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Zuordnung zur Leistungsgruppe. Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten. Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne. geringstmöglicher Lohnsteuerabzug

 

Orientierungssatz

Auch eine Lohnsteuerklassenkombination, die zwar zu einem im Vergleich zur bisherigen Steuerklassenkombination geringeren, jedoch nicht zum geringstmöglichen Lohnsteuerabzug bei Eheleuten führt, entspricht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten iS von § 137 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.09.2001; Aktenzeichen B 7 AL 84/00 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. April 1999.

Der 1948 geborene Kläger ist Spätaussiedler. Er arbeitete bis zu seiner Aussiedlung im Jahre 1995 in Kasachstan als Vermessungstechniker. Nach einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme bei der Samtgemeinde R vom 1. April 1997 bis 31. März 1998 (Bruttoarbeitsentgelt 2.733,38 DM pro Monat) bezog er vom 1. April bis 2. August 1998 und vom 1. September bis zur Anspruchserschöpfung am 26. Oktober 1998 Arbeitslosengeld (Alg). Vom 3. bis 31. August 1998 arbeitete er als Gärtner bei der P Begrünungen GmbH + Co KG (15,95 Stunden pro Woche, Brutto-Arbeitsentgelt insgesamt 837,50 DM). Ab 27. Oktober 1998 gewährte die Beklagte Alhi in Höhe von zunächst 283,36 DM pro Woche. Der Berechnung der Alhi legte die Beklagte -- entsprechend den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte -- die Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) sowie den erhöhten Leistungssatz (ein berücksichtigungsfähiges Kind) zugrunde. Das Bemessungsentgelt betrug 630,-- DM pro Woche.

Nachdem die Ehefrau des Klägers am 2. November 1998 ein Beschäftigungsverhältnis als Wirtschaftshilfe aufgenommen hatte (78 Stunden pro Monat bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.014,-- DM), wechselten der Kläger und seine Ehefrau mit Wirkung vom 1. Januar 1999 die Lohnsteuerklassen (Kläger: V/Ehefrau: III).

Daraufhin setzte die Beklagte mit dem rechtsverbindlichen Bescheid vom 5. Januar 1999 die Alhi mit Wirkung ab 1. Januar 1999 auf 171,22 DM wöchentlich herab. Die Herabsetzung beruhte auf der Zugrundelegung der Leistungsgruppe D (= Lohnsteuerklasse V) anstatt bisher Leistungsgruppe C (= Lohnsteuerklasse III) sowie auf den Änderungen durch die SGB III-Leistungsentgeltverordnung 1999.

Am 10. März 1999 zeigte der Kläger einen erneuten Wechsel der Lohnsteuerklassen (IV/IV) zum 1. April 1999 an.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. März 1999 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung des erneuten Wechsels der Lohnsteuerklasse mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 137 Abs 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nicht erfüllt seien. Durch den Wechsel ergebe sich weder ein geringerer Leistungssatz noch entspreche die nunmehr gewählte Steuerklassenkombination (IV/IV) dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dieser Bescheid nicht. Nachdem der mit Schreiben vom 2. Juni 1999 (Eingang bei der Beklagten am 4. Juni 1999) erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 1999 zurückgewiesen worden war, hat der Kläger am 22. Juli 1999 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim Klage erhoben. Er hat vorgetragen, dass die Steuerklassenkombination IV/IV die zweckmäßigste und den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Steuerklassenkombination sei. Aufgrund der lang andauernden Arbeitslosigkeit könne bei der Prüfung der zweckmäßigen Steuerklassenkombination nicht mehr ein Arbeitsentgelt in Höhe von 2.737,38 DM herangezogen werden. Dieses könne der Kläger auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr erzielen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Dezember 1999 (der Beklagten am 30. Dezember 1999 zugestellt) hat das SG Hildesheim der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger Alhi ab 1. April 1999 in Höhe von 241,15 DM wöchentlich zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. April 1999 zu berücksichtigen sei, da die Vorschrift des § 137 Abs 4 SGB III lediglich der Verhinderung von Manipulationen zu Lasten der Arbeitsverwaltung diene. Da sich durch die Wahl der Steuerklassen IV/IV sogar ein geringerer Leistungsanspruch als bei der Wahl der zweckmäßigsten Kombination (Kläger: III/Ehefrau: V) ergebe, sei der durchgeführte Steuerklassenwechsel ab 1. April 1999 bei der Berechnung der Alhi zu berücksichtigen.

Hiergegen richtet sich die am 26. Januar 2000 beim Landessozialgericht Niedersachsen (LSG Nds) eingelegte Berufung der Beklagten. Der Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. April 1999 könne nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III nicht berücksichtigt werden, weil nur die Steuerklassenkombination III (Kläger)/V (Ehefrau) dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte entspreche. Ebenso wenig ergebe sich durch die Wahl der Steuerklassenkombination IV/IV ein geringerer Zahlbetrag (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III). Eine Zweckmäßigkeitsprüfung habe -- anders als nach der bis zu...

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