Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeit. Beweiswürdigung. Lohnersatzfunktion. Sachverständigenbeweis. Opfergrenze. Rehabilitation. Verweisbarkeit. Unzumutbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Feststellung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nötigt dazu, von medizinischen Sachverständigen beschriebene Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Versicherten mit den Anforderungen in denkbaren Verweisungsberufen konkret in Beziehung zu setzen.

2. Der Grundsatz "Rehabilitation geht vor Rente" kann zur Begründung von Rentenablehnungen nur unter den für Rentenversagungen geltenden Grundsätzen (form- und fristgerechte Belehrung des Versicherten - RVO § 1243 Abs 2, § 1287 Abs 1; SGB 1 § 66 Abs 3 -) herangezogen werden.

3. Die Lohnersatzfunktion der Rente wegen Berufsunfähigkeit macht es erforderlich, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten an wirtschaftliche Gesichtspunkte anzuknüpfen; in der Regel ist ein Unterschied zwischen dem Tariflohn des Hauptberufs und dem Tariflohn der Verweisungstätigkeiten von annähernd 20 % ein Anzeichen dafür, daß die Erwerbsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten herabgesunken ist.

4. Der Verlust der sogenannten gesetzlichen Lohnhälfte ist kein Merkmal der Berufsunfähigkeit; solche Auslegung würde Entstehungsgeschichte und Zweck des Gesetzes verfehlen (Abweichung von BSG 1969-01-14 4 RJ 103/68 = BSGE 29, 96, 99; BSG 1972-08-11 4 RJ 95/72 = SozR Nr 104 zu § 1246 RVO).

5. Ein "Qualitätsvergleich" zwischen Hauptberuf und Verweisungstätigkeit ("Berufsprestige") liefert im Hinblick auf die Wirklichkeit des Erwerbslebens keine befriedigenden Abgrenzungsmerkmale; er unterliegt rechtsstaatlichen Bedenken (Abweichung von BSG 1974-09-26 5 RJ 98/72 = BSGE 38, 153, 156).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647307

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