Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit. Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. wichtiger Grund. eheähnliche Lebensgemeinschaft. Zuzug zum Verlobten. Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Zumutbarkeit. doppelte Haushaltsführung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch der Umzug zum nicht ehelichen Lebenspartner zwecks Fortführung der Lebensgemeinschaft kann einen wichtigen Grund für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses iS des § 119 Abs 1 AFG / § 144 Abs 1 SGB 3 darstellen.
2. Voraussetzung ist, dass es sich bei der Lebensgemeinschaft um eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft iS der Rechtsprechung des BVerfG (vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 = BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) handelt, die Lebensgemeinschaft bereits länger bestand, die alte Arbeitsstelle vom neuen Wohnsitz nicht mehr zumutbar erreicht werden kann und der Arbeitslose rechtzeitig alle zumutbaren Anstrengungen unternimmt, den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
3. Dagegen ist in der Regel nicht erforderlich, dass die nicht ehelichen Lebenspartner zunächst eine vorübergehende Trennung hinnehmen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. Januar bis 11. Februar 1997.
Die 1967 geborene Klägerin wurde nach einer Beschäftigung vom 20. März 1995 bis 31. Dezember 1996 als Zahnarzthelferin beim Zahnarzt Dr. P, D, arbeitslos. Sie wohnte in diesem Zeitraum mit ihrem damaligen Lebenspartner und späteren Ehemann P B in Bad S in einer gemeinsamen Wohnung. Aufgrund eines beruflich bedingten Umzugs ihres späteren Ehemannes nach M kündigte die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis am 30. November 1996 zum 31. Dezember 1996. Bereits am 20. November 1996 wandte sie sich schriftlich an das Arbeitsamt N mit der Bitte um Vermittlung einer Arbeitsstelle am neuen Wohnort. Ab 1. Januar 1997 wohnte sie in M Gegenüber der Beklagten gab sie an, dass der Umzug wegen der am 11. Juli 1997 stattfindenden Hochzeit erfolgt sei. Aus finanziellen Gründen könnten sie und ihr Verlobter nicht zwei Wohnungen (in M und in D) unterhalten, zumal das gemeinsame Kraftfahrzeug vom Verlobten benutzt werde. Bereits seit längerer Zeit habe sie die M Tagespost abonniert, um von Bad S aus einen Anschlussarbeitsplatz zu finden. Dies sei jedoch bislang nicht gelungen.
Nachdem die Klägerin am 2. Januar 1997 beim Arbeitsamt N Nebenstelle M vorstellig geworden war (der Alg-Antrag trägt das Datum 3. Januar 1997), gewährte die Beklagte Alg vom 12. Februar bis 19. April 1997 (Leistungssatz: 279,-- DM wöchentlich / 46,50 DM täglich, Bescheid vom 6. Februar 1997). Die Leistungsgewährung endete wegen Beschäftigungsaufnahme zum 21. April 1997. Dagegen lehnte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 1997 die Gewährung von Alg vom 1. Januar bis 11. Februar 1997 mit der Begründung ab, dass eine sechswöchige Sperrzeit nach §§ 119, 119a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eingetreten sei. Der Zuzug zum nicht ehelichen Lebenspartner könne nicht als wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in D angesehen werden, sondern führe lediglich wegen Annahme einer besonderen Härte (§ 119 Abs 2 Satz 1 AFG) zu einer Reduzierung der Sperrzeit auf sechs Wochen. Wegen des Eintritts der Sperrzeit mindere sich der Anspruch auf Alg um 36 Tage. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass der Umzug zum Zwecke der Eheschließung erfolgt sei, somit aus wichtigem Grund.
Der Widerspruch wurde mit der ergänzenden Begründung zurückgewiesen, dass wegen der Hochzeit ein Umzug erst zum 30. Juni 1997 hätte erfolgen müssen, somit Arbeitslosigkeit eventuell überhaupt nicht eingetreten wäre (Widerspruchsbescheid vom 30. April 1997).
Hiergegen hat die Klägerin am 29. Mai 1997 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück Klage erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, dass sie -- entsprechend der Arbeitsmarktlage für Zahnarzthelferinnen -- davon ausgegangen sei, ohne größere Zeitverzögerung einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Es habe auch durchaus Angebote gegeben; ein Vertragsabschluss sei lediglich aufgrund der fehlenden Mobilität und der zu geringen Bezahlung zunächst gescheitert. Aufgrund der Arbeitsmarktlage und der Beschäftigungsaufnahme zum 21. April 1997 sei der Vorwurf, die Klägerin habe ihre Arbeitslosigkeit grob fahrlässig verursacht, nicht gerechtfertigt. Zudem sei der Zuzug zum Zwecke der Wiederherstellung der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt. Sie wohne bereits seit etwa 1993 mit ihrem jetzigen Ehemann zusammen, zunächst in M, dann in Bad S und zuletzt wieder in M. Die Entscheidung zur Heirat, sei bereits in Bad S gefallen. Aufgrund der gewandelten gesellschaftlichen Bewertung der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft sei -wie beim Zuzug zum Ehegatten- ein wichtiger Grund für die Kündigung anzuerkennen.
Das SG Osnabrück hat die Klage mit Urteil vom 6. Januar 2000 (der Klägerin zugestellt am 24. Januar 2000) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zum Zeitpu...