Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktiven Terminsgebühr. kein Anfall bei angenommenem Teilanerkenntnis und Erledigungserklärung im Übrigen. Ausfall der Gebühr. Interesse des Mandanten. Erledigungsgebühr. Gebührenanfall bei besonderer anwaltlicher Mühewaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Die sog. fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG fällt nicht an, wenn nur ein Teilanerkenntnis angenommen und der Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt wird.
2. Dagegen kann nicht eingewandt werden, für den Rechtsanwalt werde es bei Ausfall der fiktiven Terminsgebühr nach Annahme eines Teilanerkenntnisses notwendig, einen Gerichtstermin nur zu dem Zweck zu erzwingen, erst dort den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt zu erklären. Denn dies würde dem wohlverstandenen Interesse des Mandanten vorsätzlich zuwiderlaufen; dieses Interesse kann von vornherein nicht darin bestehen, den Anfall ersichtlich unnötiger Gebühren nach dem RVG herbeizuführen.
3. Eine Erledigungsgebühr (Nr. 1006, 1005 VV RVG) kann in solchen Fällen anfallen, wenn neben der Annahme des Teilanerkenntnisses zur Vorbereitung einer Erledigterklärung im Übrigen besondere anwaltliche Mühewaltung erforderlich ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 13.11 2017 geändert. Die der Beschwerdeführerin aus der Staatskasse noch zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 0,00 EUR festgesetzt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Berücksichtigung einer sog. fiktiven Terminsgebühr (VV 3106 Nr. 3 VV RVG) im Rahmen der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung für die Beschwerdegegnerin.
Das Verfahren S 2 SO 219/17 endete, ohne dass eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden war, durch Teilanerkenntnis der Beklagten (Schriftsatz vom 17.08.2017), welches von der Klägerin unter Erledigterklärung des Rechtsstreits im Übrigen angenommen wurde (Schriftsatz 12.09.2017).
Mit Kostenfestsetzungantrag vom 12.09.2017 beantragte die Beschwerdegegnerin die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen im Rahmen der der Klägerin bewilligten Prozesskostenhilfe:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG 200,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006, 1005 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 420,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 RVG 79,80 EUR
Summe Gebühren und Auslagen: 499,80 EUR
Abzgl. gezahlter Vorschuss -261,80 EUR
Noch festzusetzender Betrag 238,00 EUR
Die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts setzte am 13.10.2017 die zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe des gezahlten Vorschusses mit 261,80 EUR fest; weitere Gebühren und Auslagen seien deshalb nicht an die Beschwerdegegnerin zu zahlen. Der hiergegen eingelegten Erinnerung der Beschwerdegegnerin half die Urkundsbeamtin nicht ab.
Mit Beschluss 13.11.2017 setzte das Sozialgericht die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen (über den bereits gezahlten Vorschuss hinaus) auf noch 214,20 EUR fest. Neben einer Verfahrensgebühr (200,00 EUR) sei auch eine fiktive Terminsgebühr (180,00 EUR) angefallen; zusammen mit der Post- und Telekommunikationspauschale (20,00 EUR) und der Umsatzsteuer (76,00 EUR) seien Gebühren und Auslagen von 476,00 EUR entstanden. Nach Abzug des Vorschusses (261,80 EUR) seien noch 214,20 EUR zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen den ihm nach seinem Empfangsbekenntnis am 11.01.2018 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 11.01.2018 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden. Zur Begründung verweist er auf diverse Beschlüsse des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen; insoweit wird auf den Schriftsatz vom 30.01.2018 Bezug genommen.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 13.11.2017 zu ändern und nie der Beschwerdegegnerin noch zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 0,00 EUR festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält eine fiktive Terminsgebühr für angefallen. Die vom Beschwerdeführer benannten Beschlüsse des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen beträfen nicht die vorliegend streitige Frage.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG zulässige Beschwerde des Landes Nordrhein-Westfalen ist begründet.
Höhere Gebühren und Auslagen als die bereits durch Vorschuss aus der Staatskasse gezahlten 261,80 EUR sind für die anwaltliche Tätigkeit der Beschwerdegegnerin im Verfahren S 2 SO 219/17 nicht angefallen.
Diese Gebühren und Auslagen setzen sich zusammen aus einer Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) i.H.v. 200,00 EUR, einer Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) von 20,00 EUR sowie 19% Um...