Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Integrationshelfer zur Teilnahme an der Offenen Ganztagsschule. Vermögensberücksichtigung. Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben. Spezifischer Bezug zum Schulunterricht. Hausaufgabenbetreuung. Aufklärung des Sachverhalts im Eilverfahren. Anordnungsgrund

 

Orientierungssatz

1. Allen Privilegierungsfällen des § 92 Abs 2 S 1 SGB 12 ist gemeinsam, dass sie einen spezifischen Förderbedarf und eine entsprechende Förderung voraussetzen, zu dem die vermögens- und einkommensprivilegierte Hilfe einen (objektiv) finalen Bezug dergestalt aufweisen muss, dass der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung nicht allein oder vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sondern zumindest gleichwertig bei den von ihnen verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liegt (Anschluss an BSG vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R = BSGE 112, 67 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).

2. Eine bloß mittelbare Förderung der Schulausbildung genügt nicht (vgl BSG vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R aaO). Vielmehr muss die Leistung unmittelbar mit dem Schulbesuch verknüpft sein und allein dieser spezifischen Fördermaßnahme dienen (vgl BSG vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R aaO). Insoweit kommen zwar gerade auch Maßnahmen außerhalb des Schulbetriebs und der der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Unterrichtszeiten in Betracht; die Maßnahme muss aber die Verbesserung schulischer Fähigkeiten des behinderten Menschen zum Ziel haben und zudem gem § 12 Nr 1 und 2 BSHG§47V erforderlich und geeignet sein, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

3. Eine nach Landesrecht gebildete Offene Ganztagsschule, bei der der Schulträger mit Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe und anderer Einrichtungen, die Bildung und Erziehung fördern, zusammenarbeitet, um außerunterrichtliche Angebote vorzuhalten, weist nicht zwingend einen direkten Bezug zum schulischen Unterricht und damit zur eigentlichen Schulbildung auf (vgl LSG Essen vom 15.1.2014 - L 20 SO 477/13 B ER).

 

Normenkette

SGB XII § 19 Abs. 3, §§ 53, 54 Abs. 1, § 90 Abs. 2 Nrn. 8-9, §§ 91, 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; SGB IX § 55; EinglHV § 12; SGG § 86b Abs. 2 S. 2; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2, Art. 19 Abs. 4

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 20.02.2015 abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 20.02.2015 ist begründet. Das SG hat dem Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig Leistungen zur Finanzierung eines Integrationshelfers zur Begleitung des Antragstellers bei der Teilnahme am Offenen Ganztag (im Folgenden: OGS) der I-schule in H, einer Grundschule mit Gemeinsamem Unterricht (GU) von behinderten und nicht behinderten Schülern, zu gewähren, zu Unrecht stattgegeben.

1. Der Beschluss des SG leidet bereits an einem Verfahrensfehler. Sein Entscheidungsausspruch, der lediglich eine Verpflichtung des Antragsgegners dem Grunde nach für eine allenfalls bestimmbare Anzahl von Stunden enthält, ist nicht hinreichend bestimmt, so dass der genaue Umfang der Leistungsverpflichtung des Antragsgegners unklar ist.

In der Hauptsache geht es im vorliegenden Fall um die Gewährung von Leistungen im sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis und damit um die Gewährung einer Sachleistung in Gestalt der Sachleistungsverschaffung. Der Antragsgegner hätte die begehrte Leistung nicht durch Zahlung von Geld, sondern dadurch zu erbringen, dass er durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung der Schuld beitritt, die der Antragsteller durch Beauftragung eines Leistungserbringers, der seinerseits Integrationshelfer gegen Entgelt bereitstellt und grundsätzlich (vgl. § 75 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 SGB XII) mit dem Antragsgegner als Sozialhilfeträger Verträge nach § 76 SGB XII geschlossen haben muss, begründet hat (vgl. insoweit z.B. BSG, Urt. v. 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R -, juris Rn. 10). Dementsprechend scheidet in der Hauptsache auch eine Verurteilung des Antragsgegners dem Grunde nach gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG aus, da keine Geldleistung im Streit steht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 12).

Ob diese Grundsätze auf das Verfahren einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu übertragen sind (in diesem Sinne der Beschluss des Senats vom 20.12.2013 - L 9 SO 429/13 B ER -, juris Rn. 46 ff.) oder ob im Hinblick darauf, dass ein "vorläufiger" Schuldbeitritt zivilrechtlich kaum umsetzbar ist, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine im Verhältnis zum Antragsteller vorläufige Verpflichtung zur Erfüllungsübernahme durch (tatsächliche) Zahlung des Sozialhilfeträgers als Dritten im Sin...

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