Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die sofortige Vollziehung eines Entziehungsbescheides zur Substitutionsgenehmigung
Orientierungssatz
1. Substitutionen bei Abhängigen dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung nur von solchen Ärzten durchgeführt werden, die gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ihre fachliche Befähigung nachgewiesen haben und denen die KV die Genehmigung zur Substitution erteilt hat. Liegen die Entziehungsvoraussetzungen vor, kann die KV die Genehmigung entziehen. Das Entziehungsermessen ist unter Einhaltung seiner Grenzen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben.
2. Auf die Ausübung von Ermessen kann nur dann verzichtet werden, wenn das Ermessen auf Null reduziert wäre. Hat die KV vor Erteilung des Entziehungsbescheides Ermessen nicht ausgeübt und liegt auch eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, so ist der Ermessensausfall nicht heilbar. Ermessensgründe können im Klageverfahren nicht mehr nachgeschoben werden.
3. Erklärt die KV ihren Entziehungsbescheid für sofort vollziehbar, so sind an dessen Begründung hohe Anforderungen zu stellen. Sie muss erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse am Sofortvollzug überwiegt und warum dies dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht.
4. Fehlt in der Begründung der sofortigen Vollziehung jegliche Abwägung mit den Interessen des Vertragsarztes, so ist diese rechtswidrig angeordnet und damit aufzuheben. Dies gilt erst recht dann, wenn der Arzt sich darauf spezialisiert hat, abhängige Patienten zu behandeln und deshalb wegen der nachhaltigen Beeinträchtigung der Praxistätigkeit die wirtschaftlichen Auswirkungen in die Abwägung hätten einbezogen werden müssen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 12.03.2009 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage (S 33 KA 49/09 SG Düsseldorf) gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.01.2009 wird mit der Maßgabe angeordnet, dass die vom Kläger vertragsärztlich durchzuführenden Substitutionsbehandlungen auf 50 Fälle begrenzt werden. Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. Der Kläger trägt 1/2 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Beklagte trägt 1/2 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Gründe
I.
Der Kläger ist als praktischer Arzt in C niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zum 01.07.2003 wurde ihm die unbefristete Genehmigung zur Substitution von bis zu 100 Patienten erteilt. Mit Bescheid vom 23.06.2005 widerrief die Beklagte die Substitutionsgenehmigung im Umfang von 20 Opiatabhängigen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Die anhängig gemachte Klage (S 33 KA 61/06 SG Düsseldorf) ruht. Am 12.03.2008 fand eine Überprüfung der Dokumentation von Zugängen, Abgängen und Beständen der Betäubungsmittel durch das Gesundheitsamt der Stadt C statt. In der Niederschrift wurde festgehalten, dass keine Vernichtungsprotokolle mit der Unterschrift des Antragstellers und von zwei Zeugen vorhanden seien. Weiterhin sei die monatliche Überprüfung der Eintragungen über Zu- und Abgänge und Bestände der Betäubungsmittel sowie die Übereinstimmung der Bestände mit den geführten Nachweisen nicht mit Namenszeichen und Prüfdatum des Verantwortlichen dokumentiert. Dem Kläger wurde aufgeben, diese und weitere im Einzelnen benannten Mängel abzustellen bzw. weitere Unterlagen dem Gesundheitsamt der Stadt C vorzulegen. Nachdem der Antragsteller dem Gesundheitsamt die geforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte, wurde mit Datum vom 06.10.2008 ein Inspektionsbericht vom Gesundheitsamt der Stadt C verfasst. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass beim weiteren Betrieb der Praxis verschiedene Maßnahmen zu ergreifen sind. Dem Kläger wurde aufgegeben, weitere Unterlagen vorzulegen.
Mit Bescheid vom 17.12.2008 widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen bei von bis zu 100 Opiatabhängigen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. In der Begründung heißt es u.a., im Inspektionsbericht vom 06.10.2008 seien Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und gegen die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung festgestellt worden. Hieraus folge, dass eine den rechtlichen Vorgaben entsprechende Substitutionsbehandlung nicht stattfinde. Eine fachliche Qualifikation sei daher nicht gegeben. Es sei nicht gewährleistet, dass eine ordnungsgemäße tägliche Dosierung der Patienten stattfinde, wenn die Lagerbestände der Substitutionsmittel nicht korrekt seien bzw. nicht überprüft werden könnten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass mit Restbeständen Handel getrieben werde und dadurch Substitutionspatienten gefährdet würden, da nicht alle Vernichtungserklärungen vorgelegt worden seien.
Mit Schrei...