Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zur Bewilligung von Leistungen des SGB 2 durch einstweiligen Rechtschutz
Orientierungssatz
1. Zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für einen abgelaufenen Zeitraum durch einstweiligen Rechtschutz fehlt es regelmäßig am hierzu erforderlichen Anordnungsgrund. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz abgewichen werden.
2. Der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung betroffen sind, ersetzt nicht die Glaubhaftmachung, dass ein nicht anders als durch Erlass der begehrten Regelungsanordnung abwendbarer Nachteil droht. Ein solcher ist nur dann gegeben, wenn bei einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren nicht mehr korrigierbare, irreparable Schäden drohen (BVerfG Beschluss vom 19. 9. 2017, 1 BvR 1719/17).
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.10.2017 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerden sind unbegründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung liegen nicht vor (1). Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind weder im Antrags- noch im Beschwerdeverfahren gegeben (2).
1. Der Senat legt das Begehren der Antragstellerin als Antrag auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung höherer als in den Bescheiden vom 10.10.2017 bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus. Denn der Widerspruch vom 25.07.2017, auf den in der Antragschrift Bezug genommen wird, bezieht sich auf den Bescheid vom 18.07.2017, mit dem die Gewährung von Leistungen abgelehnt worden war. Diesem Widerspruch ist mit den Bescheiden vom 10.10.2107 (teilweise) abgeholfen worden.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung BSG, Beschlüsse vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B - und vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Für den Erlass einer Regelungsanordnung betreffend den Zeitraum vor Antragsstellung bei Gericht am 09.10.2017 ist kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben, soweit ein Antragsteller Leistungen für einen im Zeitpunkt der Antragstellung beim erstinstanzlichen Gericht bereits zurückliegenden Zeitraum begehrt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, das heißt gegenwärtigen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn nämlich die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolge dessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz abgewichen werden. Solche Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich und werden von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen. Die Antragstellerin kann für den vergangenen Zeitraum zumutbar auf das laufende Widerspruchsverfahren verwiesen werden. Nach Angaben der Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 17.10.2017 hat sie gegen den Bewilligungsbescheid vom 10.10.2017 Widerspruch erhoben und damit deutlich gemacht, dass sie mit Erlass der Bewilligungsbescheide vom 10.10.2017 den Widerspruch vom 25.07.2017 gegen den Ablehnungsbescheid vom 18.07.2017 als nicht voll abgeholfen ansieht.
Im Oktober 2017 hat die Antragstellerin ihren gesamten Bedarf aus Einkünften von 2312,29 EUR decken können. Daher fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches für den Monat Oktober 2017 unabhängig davon, dass es sich bei der Gutschrift des Lohns i.H.v. 1305,14 EUR um ein einmaliges Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II und bei den...