Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattungspflicht des Sozialleistungsträgers nach Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung über die Kostenerstattungspflicht für die außergerichtlichen Kosten nach Erledigung der Hauptsache ist das Veranlasserprinzip heranzuziehen.
Leitsatz (redaktionell)
Für die Entscheidung über die Kostenerstattung ist darauf abzustellen, welchen Beteiligten die Durchführung bzw. Fortführung des Klageverfahrens zuzurechnen ist.
Neben der Frage der Billigkeit ist das Veranlasserprinzip zu berücksichtigen.
Ist eine Klage durch Untätigkeit veranlasst, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 04.11.2003 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Zur Recht hat das Sozialgericht(SG) entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Denn die Beklagte hat die am 20. August 2003 (Eingang beim Sozialgericht Münster) erhobene Klage nicht veranlasst.
Es kann unentschieden bleiben, ob die Kostenentscheidung hier auf § 102 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder auf § 193 Abs 1 Satz 2 SGG (in der Fassung vom 30. März 1998, BGBl I S 638) beruht, da nach beiden Vorschriften gerichtlich nach billigem (sachgemäßen) Ermessen zu beurteilen ist, inwieweit die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (vgl dazu Bundessozialgericht (BSG) E 6, 92, 93; 8, 178, 181; 14, 25, 26 sowie Meyer-Ladewig. Kommentar zum SGG. 7. Auflage 2002, § 193 Rdnr 12), wobei der Sach- und Streitstand zur Zeit der Erledigung zu berücksichtigen ist (Meyer-Ladewig aaO, Rdnrn 12 und 13; Zeihe. Das Sozialgerichtsgesetz und seine Anwendung. 8. Auflage Stand April 2003, Anmerkung 7a zu § 193). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage der Kostenerstattung ist damit das Veranlassungsprinzip (Zeihe aaO), d. h. es ist darauf abzustellen, welchen Beteiligten die Durch- bzw. Fortführung des Klageverfahrens zuzurechnen ist.
Hiernach wird es in der Regel der Billigkeit entsprechen, wenn derjenige Kosten zu erstatten hat, der im Prozess - voraussichtlich - unterlegen wäre (BSG SozR Nr 4 zu § 193 SGG). Die allein am mutmaßlichen Prozessausgang orientiere Betrachtungsweise ist jedoch nicht in allen Fällen angemessen, da nach dem Veranlassungsprinzip auch immer mit zu berücksichtigen ist, ob und ggf. inwieweit der beklagte Sozialleistungsträger - keine - Veranlassung zur Klageerhebung geboten hat (Peters/Sautter/Wolff. Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit. 4. Auflage Stand September 2002, § 193 III/109 -60, 61-). Unentschieden bleiben kann, ob zur weiteren Begründung dieses der Billigkeit entsprechenden Grundsatzes auf § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzugreifen ist (vgl. hierzu Meyer-Ladewig. aaO Rdnr 12 einerseits und LSG NRW 1987, 1360 [LS] andererseits). Danach kann ausnahmsweise auch eine im Zeitpunkt der Erledigung nicht begründete Klage dann zu einer Kostenerstattungspflicht des beklagten Sozialleistungsträges führen, wenn und soweit dieser zur Durchführung des Klageverfahrens aus anderen Gründen veranlasst hat (Landessozialgericht Nordrhein Westfalen (LSG NRW) Beschlüsse vom 12.09.1994, Aktenzeichen (Az) L 6 S 9/94, vom 18.09.00, Az L 2 B 9/00 KN KR, und vom 28.02.2003 Az L 2 B 10/02 KN KR jeweils mwN).
Es kann dahinstehen, ob danach eine Kostenerstattung in Betracht gekommen wäre, wenn die Klägerin ihre Klage nach dem 24.05.2003 ( 3 Monate nach Zugang des ersten Widerspruchs), aber vor Erteilung des Widerspruchsbescheids erhoben hätte. Jedenfalls die am 20.08.2003 erhobene Klage hat sie nicht durch Untätigkeit veranlasst, weil sie das Widerspruchsverfahren bereits zuvor mit dem am 16.08.03 zugestellten Widerspruchsbescheid abgeschlossen hatte. Ursächlich für die danach erfolgte Klageerhebung war nicht die Untätigkeit der Beklagten, sondern (ggf.) das Versäumnis der Klägerin, ihre Prozessbevollmächtigten (sofern sie bereits einen unbedingten Klageauftrag erteilt hatte) von der Zustellung des Widerspruchsbescheides unverzüglich zu benachrichtigen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ohne Bedeutung, dass sich die hier maßgebliche Dreimonatsfrist (§ 88 Abs. 2 SGG in der seit dem 02.01.2002 geltenden Fassung, Art. 1 Nr. 37, Art. 19 Satz 2 des 6. Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG ÄndG) vom 17. August 2001, BGBl I 2144ff) nicht durch Entscheidungen verlängert, die während des laufenden Widerspruchsverfahrens ergehen und dessen Gegenstand werden (Beschluss des Senats vom 05.11.2003, Aktenzeichen L 2 B 7/02 KN-KR). Denn die erst am 20.08.2003 erhobene Untätigkeitsklage kann durch die Untätigkeit der Beklagten auch dann nicht veranlasst sein, wenn sie zuvor ohne zureichenden Grund (§ 88 Abs 2 iVm Abs 1 SGG) untätig geblieben ist.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Fundstellen