Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Rechtsgrundlage. Verfassungsmäßigkeit von § 115 Abs 1a SGB 11. verfassungskonforme Auslegung von § 2 S 2 Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA). Stichprobenverfahren. Anzahl der geprüften Pflegebedürftigen. Streitwert
Orientierungssatz
1. Für die Veröffentlichung eines Transparenzberichts besteht mit § 115 Abs 1a SGB 11 eine Rechtsgrundlage, die nicht verfassungswidrig ist und deren rechtliche Grenzen nicht überschritten werden (vgl LSG Essen vom 10.5.2010 - L 10 P 10/10 B ER = KrV 2010, 203 und vom 22.6.2010 - L 10 P 59/10 B ER RG).
2. § 2 S 2 der Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA) ist im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahingehend zu korrigieren, dass nicht mindestens 5, sondern mindestens 10 pflegebedürftige Menschen in die Prüfungen einzubeziehen sind (Anschluss an LSG Halle vom 8.7.2011 - L 4 P 44/10 B ER = NZS 2011, 944).
3. Zur Bestimmung des Streitwertes in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes (Aufgabe von LSG Essen vom 5.7.2010 - L 10 P 10/10 B ER sowie L 10 P 59/10 B ER RG).
Tenor
Der aufgrund eines technischen Büroversehens fehlerhafte Beschluss des Senats vom 05.04.2012 wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 17.11.2011 geändert. Den Antragsgegnern wird bis zum 31.10.2012 untersagt, die Veröffentlichung des Transparenzberichtes zu den Ergebnissen der Qualitätsprüfung vom 31.08.2011 über den ambulanten Pflegedienst der Antragstellerin im Internet oder in sonstiger Weise sowie dessen Freigabe an Dritte zum Zweck der Veröffentlichung zu veranlassen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird den Antragsgegnern ein Ordnungsgeld bis zu 250 000,- Euro, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten mit der Maßgabe angedroht, dass die Haft an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegner zu vollziehen ist.
Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird für jeden Rechtszug auf 25 000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Senat hat über den den Beteiligten zugestellten Beschluss vom 05.04.2010 erneut entschieden, weil aufgrund eines fehlerhaften Datenabgleichs und eines Büroversehens den Beteiligten statt der ausgefertigten Endfassung des Beschlusses vom 05.04.2010 erneut der Vorentwurf zugestellt worden ist. Der Senat hält dies zur Klarstellung für erforderlich.
II.
Die Antragstellerin (Ast) wendet sich im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichts durch die Antragsgegner (AG). Die Ast betreibt den gemäß § 72 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) zugelassenen ambulanten Pflegedienst Q GbR. Am 31.08.2011 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen und Land Bremen (MDK) im Auftrage der AG in dieser Einrichtung eine Qualitätsprüfung gemäß §§ 114 ff SGB XI durch. Die Antragstellerin versorgte zum Zeitpunkt der Prüfung insgesamt 60 Personen, von denen 21 Leistungsempfänger nach dem SGB XI waren. In die Prüfung waren 5 Pflegebedürftige mit den Pflegestufen I bis III einbezogen. Der Prüfbericht wurde unter dem 09.09.2011 erstellt und der Ast mit Schreiben vom 12.09.2011 zur Kenntnisnahme übersandt. Die AG teilten der Ast mit E-Mail vom 13.09.2011 mit, dass der Transparenzbericht nunmehr im Internet zugänglich sei. Die Veröffentlichung erfolge spätestens 28 Tage nach dem ersten Entwurf. Es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme. Hiervon machte die ASt keinen Gebrauch.
Der Transparenzbericht weist als rechnerisches Gesamtergebnis aus dem Mittelwert der Punktebewertung der 37 Einzelkriterien die Note "gut" (1,9) aus. Der Qualitätsbereich "pflegerische Leistungen" erhielt die Note "mangelhaft" (4,7), der Qualitätsbereich "ärztlich verordnete pflegerische Leistungen " die Note "sehr gut" (1,0) und der Qualitätsbereich "Dienstleistung und Organisation" ebenfalls die Note "sehr gut" (1,0). Als Ergebnis der Befragung der Kunden des Pflegedienstes erhielt die Ast die nicht in das Gesamtergebnis einfließende Note "sehr gut" (1,0). Von den im Qualitätsbereich 1 geprüften 17 Einzelkriterien konnten 10 nicht bewertet werden, weil die Kriterien bei den in die Prüfung einbezogenen Pflegebedürftigen nicht vorlagen. Lediglich für ein Einzelkriterium konnten 5 Pflegebedürftige befragt werden. Demgegenüber lag der Bewertung von 5 Einzelkriterien jeweils lediglich die Befragung eines Pflegebedürftigen zugrunde. Im Qualitätsbereich 2 konnten lediglich 4 von 10 Kriterien bewertet werden, wobei jeweils bei 2 Einzelkriterien die Befragung nur eines bzw. zweier Pflegebedürftiger zugrunde lag. Der Qualitätsbereich 3 betriff...