Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlicher Ausschluss der rückwirkenden Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtsschutz. keine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Verfahrensabschluss, wenn Anwalts- und Gerichtskosten nicht entstanden sind

 

Orientierungssatz

1. Im einstweiligen Anordnungsverfahren über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung sind grundsätzlich nur diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung einer aktuellen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der Leistung in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden. Ist gegenwärtig das Existenzminimum gesichert, so ist einstweiliger Rechtsschutz zu versagen.

2. Sind in einem Verfahren weder Anwaltskosten noch Gerichtskosten entstanden und ist auch eine Sicherheitsleistung nicht erfolgt, so kann eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Wirkung mehr entfalten. Die Beschwerde gegen den ablehnenden PKH-Beschluss ist infolgedessen mangels eines bestehenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 S. 2, § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 122 Abs. 1

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.07.2013 betreffend die Ablehnung des Erlasses einer Regelungsanordnung wird zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.07.2013 betreffend die Ablehnung von Prozesskostenhilfe wird als unzulässig verworfen.

Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer Regelungsanordnung ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Das Sozialgericht hat zutreffend die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes verneint. Ein Anordnungsgrund kann nur bejaht werden, wenn dem Antragssteller schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Dies ist nicht der Fall. Der Antragsteller hat eine Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Er begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Auszahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2010 bis zum 30.06.2013, also für einen Zeitraum vor der Antragstellung beim Sozialgericht am 08.07.2013. In der Regel ist ein Anordnungsgrund nicht gegeben, soweit ein Antragsteller Leistungen für im Zeitpunkt der Antragstellung beim erstinstanzlichen Gericht bereits zurückliegenden Zeitraume begehrt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.07.2010 - L 19 AS 912/10 B ER). Im einstweiligen Rechtschutzverfahren sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, d. h. noch gegenwärtigen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der Leistung in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden. Gesichtspunkte, die in diesem Einzelfall eine Ausnahme gebieten, sind nicht ersichtlich. Das Existenzminimum des Antragstellers ist gesichert, da er eine Rente wegen Erwerbsminderung und aufstockende Leistungen nach dem SGB XII seit dem 01.07.2013 laufend bezieht. Dem Antragsteller ist zuzumuten, seine Ansprüche gegen den Antragsteller bzw. den Rentenversicherungsträger betreffend die Abrechnung der Rentennachzahlung im Hauptsacheverfahren zu klären.

II.

Die statthafte Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist unzulässig und damit nach § 202 SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 S. 2 ZPO zu verwerfen.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe ist unzulässig, weil dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte auf das bereits vor dem Sozialgericht abgeschlossene einstweilige Rechtschutzverfahren nach § 86b SGG keine Auswirkungen, weil die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren mangels anwaltlicher Vertretung des Antragstellers nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 122 Abs. 1 ZPO ins Leere liefe (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen B...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?