Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht zur Gewährung von Prozesskostenhilfe - Einkommensanrechnung bei Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Prozesskostenhilfe ist nach §§ 73a Abs. 1 SGG, 114 Abs. 1 S. 1 ZPO zu gewähren, wenn vom Gericht von Amts wegen weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen einer Klärung zugeführt werden können.

2. Bei der abschließenden Entscheidung über die Höhe der Grundsicherungsleistung soll nach § 41a Abs. 4 S. 2 SGB 2 von der Bildung eines Durchschnittseinkommens abgewichen werden, wenn der Leistungsanspruch in mindestens einem Monat entfällt. Diese Rücksichtnahme ist auch auf Einkommen aus selbständiger Tätigkeit anwendbar. Der Regelung lässt sich keine entsprechende Beschränkung auf bestimmte Einkommensarten entnehmen.

3. Führt eine Einkommensanrechnung nach § 11 Abs. 3 SGB 2 zum voraussichtlichen Erfolg der auf Leistungen des SGB 2 gerichteten Klage, so ist PKH nach § 73a SGG zu gewähren.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.05.2020 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren für die Zeit ab dem 24.01.2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U, H, gewährt. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.

Der am 00.00.1972 geborene Kläger ist geschieden. Er lebt alleinstehend in einer Mietwohnung in H für die monatlich eine Bruttowarmmiete - inklusive der Warmwasseraufbereitungskosten - von 300 EUR (200 EUR Grundmiete + 100 EUR Nebenkosten) zu zahlen ist. Er bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 22.07.2017 hat der Kläger die Fortzahlung von Leistungen ab dem 01.08.2017 beantragt. Er gab an, einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen (Montage von Baufertigteilen, z.B. Regalen). Mit Bescheid vom 17.08.2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für August 2017 bis Dezember 2017 auf vorläufiger Basis iHv monatlich 709 EUR (409 EUR Regelbedarf, 300 EUR Unterkunfts- und Heizbedarfe). Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers rechnete der Beklagte nicht an.

Am 19.01.2018 legte der Kläger betriebswirtschaftliche Auswertung seiner Betriebseinnahmen und -ausgaben für das Jahr 2017 vor, die mit einem Jahresgewinn von 2.011,39 EUR endete. Bezogen allein auf die Monate August 2017 bis Dezember 2017 betrug der durchschnittliche Gewinn des Klägers monatlich (9.574,02 EUR: 5 =) 1.914,80 EUR. Gestützt auf den Gewinn in den Monaten August 2017 bis Dezember 2017 setzte der Beklagte die Leistungen für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 26.01.2018 auf monatlich 0 EUR endgültig fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 23.03.2018 als unbegründet zurück. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.03.2018 hat der Kläger keine Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 06.09.2018 setzte der Beklagte gegen den Kläger eine Erstattungsforderung für die in August 2017 bis Dezember 2017 zu Unrecht erbrachten Leistungen iHv (5 x 709 EUR =) 3.545 EUR fest. Hiergegen hat der Kläger keinen Widerspruch eingelegt.

Mit Schreiben vom 04.11.2018 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 26.01.2018 und 06.09.2018. Die Nullfestsetzung mit Bescheid vom 26.01.2018 sei zu Unrecht erfolgt, sodass auch der Erstattungsbescheid vom 06.09.2018 rechtswidrig sei.

Mit Bescheid vom 17.01.2019 lehnte der Beklagte eine Rücknahme der Bescheide vom 26.01.2018 und 06.09.2018 ab. Ausgehend von einem Durchschnittsgewinn iHv monatlich 1.914,80 EUR sei der Kläger in den Monaten August 2017 bis Dezember 2017 nicht hilfebedürftig gewesen, sodass er die erbrachten Leistungen iHv insgesamt 3.545 EUR zu erstatten habe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 18.02.2019 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2019 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 18.07.2019 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage eingereicht und sein Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Kläger hat für die Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe beantragt und am 24.01.2020 seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemacht sowie die Belege gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 ZPO iVm § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG beigefügt.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.05.2020 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen und mit gesondertem Beschluss vom selben Tag den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gegen den ihm am 02.06.2020 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 28.06.2020 Beschwerde eingelegt und auf die Begründung seiner Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 25.05.2020 Bezug genommen. Der Kläger hat für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe beantragt.

Der Bitte des Senats um Zustimmung zur Entscheidung durch den Berichterstatter allein (§ 155 Ab...

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