Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Beitragsbescheid

 

Orientierungssatz

1. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über die Beitragspflicht und die Anforderung von Beiträgen.

2. Diese Vorschrift verlagert das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden auf den Adressaten. Deshalb begründen nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse, welche einen Erfolg des Rechtsbehelfs überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.09.2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.972,62 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen streitig.

Der Antragsteller ist Franchisenehmer im Bereich der Systemgastronomie. Er ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes.

Die Antragsgegnerin führte bei dem Antragsteller für den Prüfzeitraum 1.12.2005 bis 31.12.2009 eine Betriebsprüfung durch und forderte mit Bescheid vom 17.5.2011 für Beschäftigungszeiten ab dem 1.1.2007 Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. insgesamt 23.864,01 EUR nach. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Antragsteller habe nicht die nach den zu beachtenden Entgelttarifverträgen (Entgelt-TVen) für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen maßgeblichen "Mindestlöhne" gezahlt. Es sei im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt worden, dass für die in der Anlage zum Bescheid näher bezeichneten Personen die Zahlung des "Mindestlohnes" unterschritten worden sei. Auf Grundlage des tariflich geschuldeten Entgelts seien Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten.

Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte, die Vollziehung des Bescheides bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides auszusetzen. Es würde kein höheres als das gezahlte Entgelt und damit auch keine höheren Sozialversicherungsbeiträge geschuldet. Ein höherer Entgeltanspruch ergebe sich auch nicht aus den Entgelt-TV für das Gaststätten- und Hotelgewerbe, da die einschlägigen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen (AVEen) rechtswidrig und damit unbeachtlich seien. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf habe bereits mit Urteil vom 16.11.2010 (3 K 8653/08) festgestellt, dass die AVE vom 5.9.2008 rechtswidrig sei. Gleiches gelte für die AVE vom 3.5.2007. Angesichts dessen bestünden jedenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsnachforderungsbescheides.

Mit Schreiben vom 10.6.2011 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab, so dass der Antragsteller am 20.6.2011 um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht hat. Er ist weiterhin der Auffassung, die AVE vom 3.5.2007 und 5.9.2008 seien rechtswidrig und damit unwirksam. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG hätten nicht vorgelegen. Das geforderte 50 %-Quorum sei nicht erfüllt. Sowohl "große" wie auch "kleine Zahl" seien fehlerhaft ermittelt worden. Bei der Ermittlung der sog. "kleinen Zahl" seien insbesondere ungeprüft die Angaben des den Tarifvertrag (TV) schließenden Arbeitgeberverbandes übernommen worden. Beim Ansatz der sog. "großen Zahl" sei auf Statistiken zurückgegriffen worden, die hinsichtlich der im Sinne der Vorschrift relevanten Beschäftigtenzahlen keine belastungsfähige Aussage träfen. Unabhängig davon habe die Antragsgegnerin die bei dem Antragsteller beschäftigten Auslieferungsfahrer/Kuriere in zu hohe Tarifgruppen (TG) eingruppiert. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin unterfielen die Kuriere allenfalls den TG 1 oder 2a.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat den angegriffenen Bescheid verteidigt. Sie hat mit Änderungsbescheid vom 10.8.2001 die Nachforderung auf 23.890,46 EUR korrigiert.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 6.9.2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 17.5.2011 angeordnet und sich zur Begründung maßgeblich auf die Entscheidung des VG Düsseldorf vom 16.11.2010 bezogen.

Mit der Beschwerde trägt die Antragsgegnerin vor: Die Ausführungen des VG Düsseldorf bezögen sich nur auf die AVE vom 5.9.2008. Vorliegend sei jedoch auch die AVE vom 3.5.2007 maßgebend, deren Rechtmäßigkeit bislang in gerichtlichen Entscheidungen zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden sei. Das Urteil des VG Düsseldorf werde noch im Rechtsmittelverfahren überprüft. Daher könnten daraus nicht ohne weiteres ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dort beanstandeten AVE abgeleitet werden. Im Übrigen könne auch die Überprüfung der Wirksamkeit und Rechtm...

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