Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Abgabe der durch Rabattverträge erfassten Arzneimittel von Apotheker an Versicherte. kein Verstoß gegen Vergaberecht. Rabattvertrag. entgeltlicher Vertrag iS des § 99 GWB. Voraussetzung für Geltendmachung einer Verletzung in Rechten aus § 97 Abs 7 GWB. Rahmenrabattvertrag nach § 129 Abs 2 SGB 5. kein Verstoß gegen Grundsätze der Transparenz und Diskriminierungsfreiheit. Abschluss von Rahmenrabattverträgen mit mehreren Vertragspartnern
Orientierungssatz
1. Es ist nicht vergaberechtswidrig, wenn die Vergabe der Einzelaufträge, nämlich die Abgabe der von den Rabattverträgen erfassten Arzneimittel an die jeweiligen Versicherten durch den Apotheker nach Maßgabe der geltenden gesetzlichen und vertraglichen Regelungen erfolgt.
2. Bei den Arzneimittel-Rabattverträgen handelt es sich auch um entgeltliche Verträge iS des § 99 GWB.
3. Hinsichtlich der Geltendmachung einer Verletzung in Rechten aus § 97 Abs 7 GWB reicht es aus, dass nach der Darstellung des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Unternehmens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint.
4. Die nach dem Rahmenrabattvertrag vorgesehene Regelung zur Vergabe der Einzelaufträge beachtet die Grundsätze der Transparenz und Diskriminierungsfreiheit in hinreichendem Maße.
5. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip liegt nicht vor, wenn der Abschluss von Rahmenrabattverträgen mit mehreren (hier: drei) Vertragspartnern vorgesehen ist, die unterschiedlich hohe Rabatte einräumen.
Tenor
Der Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 19.05.2009 wird aufgehoben und der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die der Antragsgegnerinnen sowie der Beigeladenen zu 2) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen trägt die Antragstellerin. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen trägt die Antragstellerin. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene zu 2) im Verfahren vor der Vergabekammer sowie durch die Antragsgegnerinnen im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerinnen und Antragsgegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im offenen Verfahren europaweit (Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union 2008/S. 222-295505 vom 14.11.2008, berichtigt durch 2008/S. 238-315545 vom 06.12.2008) ausgeschrieben. Die Ausschreibung umfasst 18 - jeweils auf einen Wirkstoff bezogene - Lose:
Los 1 Amitriptylin Los 2 Atenolol Los 3 Bisoprolol Los 4 Carvedilol Los 5 Citalopram Los 6 Clozapin Los 7 Doxepin Los 8 Fentanyl Los 9 Gabapentin Los 10 Levodopa/Carbidopa Los 11 Lorazepam Los 12 Metoprololsuccinat Los 13 Metoprololtartrat Los 14 Mirtazapin Los 15 Opipramol Los 16 Risperidon Los 17 Sotalol Los 18 Trimipramin
Es ist vorgesehen, Rabattverträge mit jeweils drei Bietern je Los zu schließen. Die Verträge (die ursprünglich zum 01.05.2009 in Kraft treten sollten) haben eine Laufzeit von zwei Jahren mit einer zweimaligen einseitigen Verlängerungsmöglichkeit durch die AG von je einem Jahr. Mindestabnahmemengen von Arzneimitteln werden nicht garantiert. Der Auftragnehmer gewährt absolute Rabatte auf alle Arzneimittel eines Wirkstoffs, die Vertragsgegenstand geworden sind. Der Rabatt ist (zwar) für jedes Los (jeden Wirkstoff) einheitlich anzubieten, jedoch besteht keine Verpflichtung, jedes von dem betreffenden Unternehmen produzierte Arzneimittel des betreffenden Wirkstoffs (jede Pharma-zentralnummer (PZN)) anzubieten. Die Wirtschaftlichkeit der Angebote beurteilt sich nach den Verdingungsunterlagen ausschließlich an Hand des Kriteriums der erzielbaren Einsparungen. § 10 Abs. 1 des Vertragsentwurfs regelt den Eintritt des Ruhens des Vertrages:
"Für den Fall, dass der Apothekenverkaufspreis (AVP) abzüglich des Rabattes der von diesem Vertrag erfassten Arzneimittel höher ist als der drittgünstigste AVP der austauschfähigen Arzneimittel (vgl. § 4 Rahmenvertrag gemäß § 129 Abs. 2 SGB V in der jeweils gültigen Fassung, abzurufen unter www.vdak-aev.de), kann der Vertrag durch einseitige Erklärung der Kooperationskassen zum Ruhen gebracht werden. Der Vertrag ruht sodann ab Veröffentlichung durch die ABDATA für das betroffene Fertigarzneimittel."
Die Antragstellerin (AS) sowie die (zum Konzern der AS gehörige) Firma T gaben am 12. Januar 2009 jeweils Angebote zu den Losen 4 (Wirkstoff Carvedilol) und 9 (Wirkstoff Gabapentin) ab. Zuvor hatten sie jeweils mit Schreiben vom 24.11.2008, 28.11.,2008, 11.12.2008, 17. bzw. 18.12.2008 und 23.12.2008 gleichlautende Rügen im Hinblick auf das Vergabeverfahren erhoben.
Am 03.02.2009 hat die AS bei der Vergabekammer (VK) des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt.
Die AS hat die Auffassung vertreten, der ausgeschriebene Rabattvertrag betreffe einen öffentlichen Auftr...