Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer zulässigen Untätigkeitsklage - Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 73a Abs. 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO u. a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
2. Hinreichende Erfolgsaussichten i. S. des § 114 ZPO setzen u. a. die Zulässigkeit der Klage bzw. des Antrags auf einstweiligen Rechtschutz voraus. Diese können nicht bereits deshalb verneint werden, wenn es an der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs bzw. der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit des Gerichts fehlt. Die Verweisungsvorschriften sind von Amts wegen anzuwenden.
3. Eine nach Ablauf der Sperrfrist des § 88 Abs. 1 SGG von sechs Monaten erhobene Untätigkeitsklage ist zulässig und begründet, wenn kein zureichender Grund ersichtlich ist, dass der beantragte Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht erlassen war.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.04.2021 geändert.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt A, Münster, beigeordnet.
Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht am 07.05.2021 eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen den ihr am 05.05.2021 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.04.2021 ist begründet. Das Sozialgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, der Klägerin für die Untätigkeitsklage Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
1. Der Senat ist im vorliegenden Verfahren nicht gehindert, eine Entscheidung in der Sache zu treffen, also über den Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu entscheiden. Zwar ist ein Prozesskostenhilfe-Beschluss ohne Entscheidung in der Sache nur aufzuheben, wenn ein unzuständiges Gericht entschieden hat, obwohl ein Sozialgericht eines anderen Bundeslandes örtlich zuständig gewesen wäre. Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist in diesen Fällen dem örtlich zuständigen Sozialgericht vorbehalten, auch in einem Beschwerdeverfahren hat eine Sachentscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe dann nicht zu ergehen, denn auch das im Beschwerdeverfahren angerufene Landessozialgericht wäre für eine Sachentscheidung örtlich nicht zuständig (so zutreffend LSG Hessen Beschluss vom 16.01.2014 - L 5 R 202/13 B). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor, denn das Sozialgericht war für die Entscheidung über den Antrag zuständig und zwar ungeachtet seiner fehlenden örtlichen Zuständigkeit in der Hauptsache. Denn nach der Erledigung der Hauptsache kommt eine Verweisung nicht mehr in Betracht, da es dann an einem anhängigen Rechtsstreit iSd § 98 SGG, § 17a Abs. 1 Satz 1 GVG fehlt (OLG Hamburg Beschluss vom 23.05.2019 - 6 AR 6/19; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020 § 98 Rn. 3). Der Senat lässt daher offen, ob eine Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren ergehen könnte, wenn - wie vorliegend und insoweit abweichend zu der vom LSG Hessen entschiedenen Fallgestaltung - für die Hauptsache ein anderes Sozialgericht desselben Bundeslandes zuständig gewesen wäre und daher in jedem Fall das angerufene Landessozialgericht im Beschwerdeverfahren örtlich zuständig ist.
2. Das Sozialgericht hat den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Gem. § 73a Abs. 1 SGG iVm § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG Beschluss vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00; Beschlüsse des Senats vom 22.04.2021 - L 9 SO 418/20 B und vom 28.05.2013 - L 9 AS 541/13 B). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist in der Regel der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs, der dann gegeben ist, wenn der Antragsteller einen bewilligungsreifen Antrag vorgelegt hat (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 14.04.2010 - 1 BvR 362/10).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hatte die Klage zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuches hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin ist bereits bei der Klageerhebung am 05.02.2021 vorgeleg...