Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. fehlender Anordnungsanspruch. keine Folgenabwägung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Unionsbürger bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Europarechtskonformität. fehlender Nachweis der aktiven Arbeitsuche und der Erfolgsaussicht. fehlende Glaubhaftmachung der Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt. fehlende ausreichende Existenzmittel
Orientierungssatz
1. Unionsbürger, die sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, sind nach sechs Monaten nur noch unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 kann seit der Entscheidung des EuGH vom 11.11.2014 - C-333/13 = NJW 2015, 145 nicht mehr als europarechtswidrig angesehen werden.
2. Dies gilt jedenfalls für den Unionsbürger, der kein materielles Aufenthaltsrecht besitzt und nicht über eine ernsthafte und aktive Arbeitsuche eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt aufgebaut hat (vgl LSG Hamburg vom 1.12.2014 - L 4 AS 444/14 B ER). Allein die Behauptung, sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufzuhalten, begründet keine Verbindung zum Arbeitsmarkt.
3. Ein Gleichbehandlungsanspruch nach Art 24 EGRL 38/2004 setzt gem Art 7 Abs 1 EGRL 38/2004 voraus, dass der Unionsbürger entweder Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist, über ausreichende Existenzmittel verfügt und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen.
4. Hat der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt glaubhaft gemacht, so fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsanspruch zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtsschutz. Damit entfällt seit der Entscheidung des EuGH vom 11.11.2014 die zuvor erforderliche Folgenabwägung.
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers sowie der Antragsgegner gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.11.2014 werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer einstweiligen Anordnung.
Die 1991 geborene Antragsgegnerin zu 1) und der 1989 geborene Antragsgegner zu 2) leben zusammen mit ihren minderjährigen Kindern, den Antragsgegnern zu 3) bis 6), in H. Sie sind rumänische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben im Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; der Antragsgegner zu 6) ist am 00.00.2014 in Deutschland geboren. Bis auf Kindergeld für vier Kinder erzielen die Antragsgegner nach eigenen Angaben kein Einkommen.
Am 04.07.2014 beantragten die Antragsgegner zu 1) bis 5) bei dem Antragsteller die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bzw. Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Diesen Antrag lehnte der Antragsteller mit Bescheid vom 04.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2014 ab. Die Antragsgegner, nunmehr einschließlich des inzwischen geborenen Antragsgegners zu 6), haben hiergegen beim Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben (S 38 AS 3151/14). Sie haben dort außerdem bereits am 29.08.2014 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt (S 38 AS 2404/14 ER) und hierzu eine eidesstattliche Versicherung vom 14.08.2014 vorgelegt, nach der sie zum Zweck der Arbeitsuche nach Deutschland eingereist sind und ihren Lebensunterhalt sowie die Kosten der Unterkunft nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten können. Mit Beschluss vom 03.09.2014 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Antragsteller in diesem Eilverfahren dazu verpflichtet, den Antragsgegnern zu 1) bis 5) für den Zeitraum 29.08.2014 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum 28.02.2015 vorläufige Regelleistungen unter Anrechnung des gezahlten Kindergeldes zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aufgrund der umstrittenen Frage der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II eine Folgenabwägung anzustellen sei, die zugunsten der Antragsgegner ausfalle. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt: Bzgl. des Antragsgegners zu 6) fehle es bereits mangels vorheriger Antragstellung am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses, bzgl. der zugleich geltend gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung bei ungekündigtem Mietvertrag an einem Anordnungsgrund. Das Sozialgericht hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu 50 % auferlegt. Den Antragsgegnern ist der Beschluss am 04.09.2014 und dem Antragsteller am 05.09.2014 zugegangen.
Am 20.11.2014 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen beantragt, den Beschluss vom 03.09.2014 mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Die Antragsgegner seien ge...