Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zur Bewilligung von Sozialhilfe durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Zur Bewilligung von Leistungen des SGB 12 durch einstweiligen Rechtsschutz hat der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit glaubhaft zu machen.
2. Der Leistungsträger darf existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von bloßen Mutmaßungen verweigern, die sich auf vergangene Umstände stützen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Anspruchstellers keine eindeutigen Erkenntnisse ermöglichen.
3. Andererseits darf der Antragsteller eine mögliche Sachaufklärung nicht verhindern. Lehnt er in diesem Zusammenhang ohne nachvollziehbare Gründe die namentliche Benennung von Personen ab, die ihm bisher ein Leben ohne Sozialhilfeleistungen ermöglicht haben, so geht die fehlende Glaubhaftmachung des für den einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Anordnungsgrundes zu seinen Lasten.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers (Ast) gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 03.07.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde bezüglich der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung (L 12 B 48/09 SO ER) ist zulässig, aber nicht begründet.
Im Streit sind vorläufige Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab 04.06.2009. Das SG hat den Eilantrag des Ast mit Beschluss vom 09.07.2009 abgelehnt, weil es Zweifel an den dargelegten Vermögensverhältnissen des Ast hegte. Wegen der genauen Begründung wird auf den Wortlaut der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit seiner Beschwerde rügt der Ast, dass ihm weiterhin Zweifel im Hinblick auf seine Mexikoreise um die Jahreswende 2008/2009 vorgehalten würden, die zudem nicht berechtigt seien. Aktuell gehe es aber um den laufenden Lebensunterhalt, den er für sich und seine Ehefrau von 106,16 EUR im Monat bestreiten müsse. Dieser Betrag verbliebe, wenn von seiner Rente in Höhe 374,16 EUR die Miet- und Stromkosten in Höhe von 268,00 EUR abgezogen würden. Er habe nur überleben können, weil er - bedingt durch die unberechtigte Weigerung der Antragsgegnerin (Ag), Leistungen zu erbringen - von Freunden und Bekannten Sach- und Geldleistungen erhalten habe. Die Schulden beliefen sich inzwischen auf 1.430,00 EUR.
Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zugunsten des Ast zu treffen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrten Leistungen besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG vom 12. 05. 2005 - 1 BvR 569/05 - unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60, 80). Denn im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der ...