Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
Orientierungssatz
1. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 144 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGG setzt voraus, dass es sich bei der aufgeworfenen Rechtsfrage um eine Zweifelsfrage handelt und damit Rechtsunsicherheit besteht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein.
2. Die Frage, ob ein Verstoß der Krankenkasse gegen ihre Hinweispflicht nach § 175 Abs. 4 S. 6 SGB 5 folgenlos bleibt oder ob sich hieraus im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Erstattungsanspruch des Versicherten in Bezug auf den erhöhten Zusatzbeitrag ergibt, wird in § 175 Abs. 4 S. 7 SGB 5 erschöpfend beantwortet.
3. Ob die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist, wird von § 144 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGG nicht gefordert. Die Rechtsfrage ist bereits dann nicht klärungsbedürftig, wenn sich die Antwort aus der Rechtsvorschrift ergibt und damit praktisch außer Zweifel steht /BSG Beschluss vom 16. 4. 2012, B 1 KR 25/11 B).
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.02.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 28.02.2017.
In der Sache streiten die Beteiligten darüber, ob die Beklagte zulässiger Weise ab dem 01.01.2016 einen erhöhten Zusatzbeitrag vereinnahmt hat.
Der Kläger war bei der Beklagten freiwillig gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 03.01.2016 kündigte er seine Mitgliedschaft zum 31.03.2016 wegen der Erhöhung des Zusatzbeitrags, auf die er nicht hingewiesen worden sei; nur durch eigene Recherche im Internet habe er von der Erhöhung erfahren. Erst am 06.01.2016 ging beim Kläger ein auf "Dezember 2015" datiertes Schreiben der Beklagten ein, in dem er über die Erhöhung des Zusatzbeitrags ab Januar 2016 von 0,9% auf 1,7% und auf sein daraus resultierendes Sonderkündigungsrecht hingewiesen wurde. Mit Beitragsbescheid vom 08.01.2016 setzte die Beklagte die Beiträge für die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung inklusive des erhöhten Zusatzbeitrages auf 800,90 EUR/Monat fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 01.07.2016). Das Gesetz sehe als Rechtsfolge für die verspätete Mitteilung und Aufklärung über das aus der Zusatzbeitragserhöhung resultierende Sonderkündigungsrecht nicht (mehr) vor, dass kein Zusatzbeitrag erhoben werden dürfe. Vielmehr gelte (nur noch) die erfolgte Kündigung als in dem Monat erklärt, für den der Zusatzbeitrag erhöht werde. Das habe man beachtet.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht: Wegen der verspäteten Aufklärung über die Erhöhung des Zusatzbeitrages sei die Beklagte erst ab dem 01.03.2016 berechtigt, diesen zu fordern. Sie sei gesetzlich verpflichtet, frühzeitig über die Erhöhung des Zusatzbeitrags zu informieren. Die Erstattungsforderung in Höhe von 94,08 EUR berechne sich aus der Differenz zwischen den von der Beklagten erhobenen Beiträgen und der Beitragsforderung der von ihm neu gewählten Krankenkasse für die Monate Januar bis März 2016.
Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen (Urteil vom 28.02.2017). Soweit der Kläger sein Erstattungsbegehren auf einen Amtshaftungsanspruch aus § 834 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) stütze, sei die Klage unzulässig. Für derartige Haftungsansprüche sei der Rechtsweg zu den Landgerichten eröffnet (Art. 34 Satz 3 GG i.V.m. § 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 71 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Im Übrigen sei die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sowie als Feststellungsklage nach den §§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig, aber unbegründet. Zutreffend habe die Beklagte unabhängig von der verspäteten Aufklärung über die Erhöhung des Zusatzbeitrags und des Sonderkündigungsrechts, die Beitragspflicht ab dem 01.01.2016 unter Berücksichtigung des Zusatzbeitrages festgesetzt. Bei Erhöhung des Zusatzbeitrags stehe den Versicherten gemäß § 175 Abs. 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Sonderkündigungsrecht zu. Dies allerdings nur dann, wenn die Kündigung spätestens bis zum Ablauf des Monats erklärt werde, in dem erstmals der erhöhte Zusatzbeitrag erhoben worden sei. Die Rechtsfolge der Kündigung, die Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses, trete mit Ablauf des übernächsten Monats nach der Kündigungserklärung ein (§ 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Die erstmalige Beitragspflicht unter Berücksichtigung des erhöhten Zusatzbeitrages habe ab dem 01.01.2016 bestanden. Die Kündigung sei somit spätestens bis zum 31.01.2016 zu erklären gewesen. Diese Frist habe der Kläger eingehalten, das Mitgliedschaftsverhältnis habe daher mit Ablauf des 31.0...